Am 1. 1. 1998 ist der Staatsvertrag ber den Sdwestrundfunk (SWR-StV) in Kraft getreten[1]. Das Inkrafttreten eines mittlerweile zum dritten Mal novellierten Landesmediengesetzes[2] in Baden-Wrttemberg steht unmittelbar bevor[3].
In dieser Situation hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Wrttemberg (VGH) einen ausfhrlich begrndeten Beschlu verkndet, wonach ein privater Rundfunkveranstalter keine Mglichkeit hat, die Landesregierung zum Einschreiten gegen einen seiner Meinung nach bestehenden Versto gegen 3 Abs. 1 SWR-StV zu zwingen. Diese Vorschrift bestimmt, da der Sdwestrundfunk (SWR) in Baden-Wrttemberg vier Hrfunkprogramme veranstaltet.
Der Beschlu fllt mit einer politischen Diskussion ber die Frage zusammen, ob dem SWR neben den vorhandenen Programmen die Verbreitung seines derzeit nur versuchsweise ausgestrahlten Jugendprogramms "DasDing" gestattet werden soll[4].
Der Verwaltungsgerichtshof folgt mit seinem Beschlu auch nach dem Wechsel der Zustndigkeit fr Rundfunkfragen vom zehnten auf den ersten Senat weiterhin einer dem ffentlich-rechtlichen Rundfunk wohlgesonnenen Linie und hat sich den politischen Forderungen nach einer Begrenzung der Programmzahl beim ffentlich-rechtlichen Rundfunk soweit mglich entgegengestellt.
Diese Zielsetzung war auch im Verfahren der Staatsvertragsverhandlungen vorhanden und Gegenstand der Gesprche; sie wurde jedoch nicht Inhalt des Staatsvertrages selbst und ist auch in der Amtlichen Begrndung nicht angesprochen.
Ihre Frequenzausstattung soll demgem nach den Planungen der LfK durch die in der "Mannheimer Erklrung" mit dem SWR ausgehandelten Frequenzen nur in besonderen Fllen weiter verbessert werden. Die freigewordenen Frequenzen sollen nach dem Willen der Politik und der LfK vielmehr fr die Zulassung eines vierten berregionalen privaten Hrfunkprogramms in Baden-Wrttemberg verwendet werden[9]. Dieses Programm soll sich - wie "DasDing" - vorwiegend an "junge Menschen" wenden[10]. Eine nhere Definition des Begriffes "jung" wird nicht gegeben; offen bleibt, ob damit eine Zielgruppe unterhalb oder parallel zu den von SWR 3 auftragsgem ( 3 Abs. 1, 2. Spiegelstrich, SWR-StV) angesprochenen "jngeren Menschen" gemeint ist. Faktisch liegt der Altersdurchschnitt der SWR 3-Hrer dem Vernehmen nach deutlich ber 30; vom Programmchef werden die 20- bis 39jhrigen Zuhrerinnen und Zuhrer als Kernzielgruppe bezeichnet[11].
Die Ast. hatte zunchst ein Eingreifen der Rechtsaufsicht (Land Baden-Wrttemberg) beantragt; nachdem dies vom Staatsministerium Baden-Wrttemberg abgelehnt worden war, hatte sie beim VG Stuttgart erfolglos einen Eilantrag auf eine entsprechende Verpflichtung des Landes gestellt und diesen in der Beschwerde beim VGH weiterverfolgt.
Der VGH hielt die Beschwerde fr zulssig, aber unbegrndet.
Das Verwaltungsgericht hatte in seinem Beschlu schon die Zulssigkeit abgelehnt. Es hatte dabei auf das fehlende Rechtsschutzbedrfnis der Ast. abgehoben, die es mit dem fehlenden Anspruch auf ein Ttigwerden der Rechtsaufsicht begrndete. Diese Auffassung des Verwaltungsgerichts verkannte aber, da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das Bestehen der Mglichkeit einer Rechtsverletzung bereits zur Zulssigkeit des Antrags fhrt, auch wenn Konsequenz bei darauffolgender Ablehnung eines tatschlichen Anspruchs im materiellen Teil sein kann.
Die Annahme der Mglichkeit einer Rechtsverletzung zu Lasten der Ast. sttzt der VGH auf zwei Gesichtspunkte. Zum einen knne aufgrund der "Besonderheiten des Rundfunkwesens" nicht schon - wie sonst im Zusammenhang mit der staatlichen Rechtsaufsicht - aus der "Erkenntnis, da Rechtsaufsicht im allgemeinen ausschlielich zu dem Zweck ausgebt wird, das staatliche Interesse an einer gesetzmigen Verwaltung durchzusetzen" darauf geschlossen werden, da "demgem unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ein Anspruch auf rechtsstaatliches Ttigwerden besteht"[13]. Zum zweiten sei eine subjektiv wirkende Begnstigung der Ast. aus der Programmzahlfestsetzung in 3 SWR-StV nicht von vornherein auszuschlieen; deren genaue Feststellung sei Teil der Begrndetheitsprfung.
Offen bleibt, welche berlegungen den VGH dazu bewegt haben, fr das Rundfunkwesen Besonderheiten der staatlichen Aufsicht anzunehmen, die mglicherweise ein Eingreifen ber den Zweck der Durchsetzung des staatlichen Interesses an einer gesetzmigen Verwaltung hinaus rechtfertigen wrden. Die staatliche Rechtsaufsicht im Rundfunkwesen ist - auch nach den im materiellen Teil folgenden Ausfhrungen des VGH selbst - nur sehr begrenzt und vorsichtig zu begrnden und erst recht wahrzunehmen. Inwiefern hier eine Anspruchsgrundlage fr rechtsaufsichtliche Manahmen im Interesse anderer als der genannten Ziele denkbar sein knnte, bleibt offen.
Im Ergebnis gibt die gewhlte Lsung dem VGH Gelegenheit, eine Grenzziehung zwischen Zulssigkeit und Begrndetheit des Antrags herauszuarbeiten, die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dogmatisch geboten ist.
Der VGH prft im materiellen Teil das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs der Ast. anhand der Vorschriften des SWR-StV selbst (1.) und geht dabei auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben ein, die die Rundfunkfreiheit in der Ausgestaltung des Bundesverfassungsgerichts erfahren hat (2.). Das Ergebnis gleicht er mit der einfachgesetzlichen Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit in Baden-Wrttemberg anhand des SWR-StV (3.) und des Landesmediengesetzes ab (4.).
Der VGH deutet selbst an, da die Landesanstalt fr Kommunikation bei der Frequenzvergabe an den ffentlich-rechtlichen Rundfunk im Rahmen der Erstellung der NutzungsplanVO nach 5, 7 LMedienG mglicherweise Spielrume haben knnte, einer bertriebenen Programmexpansion der ffentlich-rechtlichen Seite entgegenzutreten. Darin knnte ein leiser Hinweis darauf gesehen werden, da in der heutigen Situation die Rechtsprechung des VGH zu neuen ffentlich-rechtlichen Programmen sich an strengeren Kriterien ausrichten knnte als noch im S 4-Beschlu[17].
Aus dieser Mglichkeit, im Verfahren der Nutzungsplanung auf die Sendemglichkeiten des SWR Einflu zu nehmen, ergibt sich zwanglos die Mglichkeit, gegen die NutzungsplanVO in der den SWR nach Meinung der Ast. widerrechtlich begnstigenden Form Normenkontrollklage zu erheben. Die Normenkontrollklage ( 47 VwGO) ist zulssig, wenn die Mglichkeit eigener rechtlicher Betroffenheit durch die angegriffene Rechtsvorschrift besteht ( 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Nach den Ausfhrungen des VGH im hier besprochenen Verfahren wre die Zulssigkeit wohl zu bejahen; die NutzungsplanVO der LfK wurde bereits (erfolgreich) vor dem VGH angegriffen[18]. Ob allerdings ein Erfolg in der Sache denkbar wre, kann nicht sicher prognostiziert werden, da sich der VGH in der Frage, ob es sich bei den Metro-Fenstern von SWR 3 um eigene Programme oder um echte Fenster handelt und welche Frequenzausstattung fr deren Ausstrahlung nach 5, 7 LMedienG verlangt werden kann, bedeckt hlt. Der Hinweis auf 5, 7 LMedienG deutet jedoch an, da Rechtsschutz auf diesem Weg mindestens fr denkbar gehalten wird. Allerdings ist auch hier fraglich, welche Ansprche ein privater Konkurrent daraus herleiten will, da es sich zunchst um Planungsgrundstze zur Nutzungsplanung durch die LfK handelt. Dieser will der VGH aber offenbar durchaus einen Spielraum fr die Vergabe von Frequenzen an zustzliche Programmangebote der ffentlich-rechtlichen Anstalten zubilligen.
Schlielich htte der Ast. mglicherweise auch eine Unterlassungsklage aus unlauterem Wettbewerb ( 1 UWG) offengestanden. Allerdings stellt sich hier in besonderer Schrfe die Frage, ob das Wettbewerbsrecht neben den spezialgesetzlichen Regelungen des SWR-StV und ggf. des LMedienG noch anwendbar sein kann. Immerhin haben Zivilgerichte in vergleichbaren Fllen die Anwendbarkeit des UWG bejaht[19]. Im konkreten Fall wurde allerdings - mit hnlichen Erwgungen, wie sie der VGH anstellt - geurteilt, da die Veranstaltung eines weiteren Hrfunkprogramms nicht wettbewerbswidrig ist, solange sie der Grundversorgung dient oder der Entwicklungsgarantie der ffentlich-rechtlichen Anstalt entspricht.
Auch mit anderen prozessualen Anstzen wre das Bestreben der Ast. daher vermutlich nicht erreichbar gewesen. Eine Einschrnkung programmlicher Expansion des ffentlich-rechtlichen Rundfunks ist daher rechtlich nur schwer erreichbar. Der VGH scheint diese Begrenzungsmglichkeiten nur im objektiven Recht der Anstalt selbst sowie allenfalls bei der Frage der Frequenzvergabe durch die LfK zu sehen.
Insgesamt ist dem Verwaltungsgerichtshof einmal mehr ein rundfunkrechtlich erfreulich klarer Beschlu gelungen, der sich durchaus in der Tradition des Gerichtes befindet. Die Landespolitik und der private Rundfunk mssen sich (einmal mehr) ins Stammbuch schreiben lassen, da politische Bemhungen nicht ausreichen, um die wichtige Stellung des ffentlich-rechtlichen Rundfunks nachhaltig in Frage zu stellen.
Der VGH konnte sich allerdings auch leicht aus der Verantwortung fr ein insgesamt ausgewogenes duales Rundfunksystem begeben. Die Frage, wie schwer den privaten Rundfunkveranstaltern das Leben gemacht werden darf, brauchte er nicht einmal zu stellen. Bedauerlich ist insoweit, da durch die geplante Novelle des Landesmediengesetzes das Instrument der Nutzungsplanung in Baden-Wrttemberg entfllt, das bundesweit einen beachtlichen Versuch darstellte, die Interessensphren von ffentlich-rechtlichem Rundfunk und Privatfunk rechtssicher und in einem von planerischen Grundstzen getragenen Verfahren abzugrenzen. Damit konnte der in der Entwicklungsgarantie der ffentlich-rechtlichen Sender angelegten (und an sich zulssigen, im einzelnen aber durchaus bedenklichen) Programmexpansion ein einerseits unabhngiges, andererseits aber ebenfalls von direkter staatlicher Einflunahme freies Kontrollinstitut zur Seite gestellt werden, da migenden Einflu hatte. Nunmehr traut sich der Gesetzgeber zu, diese sensiblen Fragen in einem nur schwerfllig zu ndernden Gesetz direkt zu regeln.
Im Ergebnis ist festzuhalten, da sich die hchst- und obergerichtliche Rechtsprechung festigt, nach der Programmzahlbegrenzungen der ffentlich-rechtlichen Sender bisher nicht gerichtlich durchgesetzt werden konnten. Die Untersagung der Verbreitung von zustzlichen Programmen ist bisher weder privaten Veranstaltern noch anderen Landesregierungen gelungen[21].
[*] Zugleich Anmerkung zu VGH Mannheim, Beschlu vom 27. 4. 1999, Az.: 1 S 165/99
[1] Gesetz zu dem Staatsvertrag ber den Sdwestrundfunk, vom 21. 7. 1997, GBl. (Baden-Wrttemberg) S. 297, 300.
[2] Entwurf des Gesetzestextes.
[3] Das Inkrafttreten des Gesetzes ist zum 1. 8. 1999 geplant.
[4] Vgl. epd medien, "Teufel ist gegen Jugendradio", Nr. 21 vom 20. 3. 1999, S. 16; zur Verbreitung von DasDing Diesbach, Martin, Rechtsfragen der terrestrischen und kabelgesttzten Verbreitung des Jugendradios "DasDing" durch den Sdwestrundfunk, ZUM 1999, 228.
[5] Zur Entstehungsgeschichte des SWR-StV vgl. Scherer, Frank, Der Staatsvertrag ber den Sdwestrundfunk und die ARD-Reform, ZUM 1998, 8.
[6] Gemeinsame Pressemitteilung des Staatsministeriums und der CDU-Landtagsfraktion von Baden-Wrttemberg vom 16.01.1999, "Eckpunkte fr die Weiterentwicklung des Privatfunks in Baden-Wrttemberg stehen fest"
[7] "Gemeinsame Presseerklrung: Einigung ber Frequenzen - ,Mannheimer Erklrung' von LfK, LPR, SDR und SWF zur Frequenzoptimierung im Sdwesten Deutschlands" vom 14.07.1998.
[8] Vgl. Amtliche Begrndung zum Entwurf eines Landesmediengesetzes, Stand 6. 5. 1999, Zu 18, Absatz 2, Seite 53 (http://www.mfg.de/mdgesnov 060599.pdf); sowie die Sendegebietsdarstellungen der Bereichssender in Baden-Wrttemberg durch die LfK
[9] Amtliche Begrndung zum Landesmediengesetz 1999 (Entwurf), Zu 18, Absatz 2, S. 53; Pressemeldung der LfK vom 10.03.1999, "Landesmediengesetzentwurf ist gute Grundlage fr Novellierung - Dr. Thomas Hirschle: ,Privates Jugendradio ist Bereicherung fr Hrfunklandschaft'"; Gemeinsame Pressemitteilung des Staatsministeriums und der CDU-Landtagsfraktion von Baden-Wrttemberg vom 16. 1. 1999, aaO; vgl. auch Schneider, Guido, Das Ohr dicht am Nachwuchs, HORIZONT, Heft 22/1999.
[10] Vgl. 18 Abs. 2 Nr. 3 LMedienG-E in der Fassung vom 6. 5. 1999; Amtliche Begrndung, Zu 18, Abs. 2, S. 53 (aaO).
[11] Schneider, Guido, aaO.
[12] VGH Baden-Wrttemberg, aaO; 3 SWR-StV.
[13] VGH Baden-Wrttemberg, aaO.
[14] BVerwG, Urt. vom 21. 10. 1998, Az.: 6 A 1.97, abgedruckt in epd medien-Dokumentation, Heft 31/32 vom 28. 4. 1999, S. 15 ff.; OLG Dresden, Urt. vom 26. 7. 1995, Az.: 12 U 58/95, GRUR 1996, 73, bei Klagabweisung in der Sache (5. Hrfunkprogramm des MDR - "Sputnik").
[15] Unter Bezugnahme auf BVerfGE 90, 60 (91); 83, 238 (299).
[16] BVerwG, aaO; OLG Dresden, aaO.
[17] VGH Baden-Wrttemberg, Urteil vom 30. 8. 1994, Az.: 10 S 3152/93, VBlBW 1995, 93.
[18] VGH Baden-Wrttemberg, aaO.
[19] OLG Dresden, aaO.
[20] Vgl. 5, 7 LMedienG sowie die Verordnung der LfK ber einen Nutzungsplan fr die drahtlosen Frequenzen und fr die Kabelnetze (NutzungsplanVO) vom 21. 9. 1994 (GBl. S. 504), zuletzt gendert durch VO vom 24. 7. 1998 (GBl. S. 523).
[21] Vgl. hinsichtlich der Verbreitung eines 5. Hrfunkprogramms durch den MDR die Entscheidungen des OLG Dresden, aaO, und des BVerwG, aaO.
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