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Erluterungen zur Satzung
ber die Zugangsfreiheit zu digitalen Diensten


von Dr. Patrick Mayer
Stand: 03.12.2000








Bezug: Satzung ber die Zugangsfreiheit zu digitalen Diensten

Inhaltsbersicht:

I. Zielsetzung
II. Begriffsdefinitionen

1. Zugangsdienste
2. Berechtigte
III. Anforderungen und Verpflichtungen nach der Satzung
IV. Verfahren
V. Rechtsschutz
1. Rechtsschutz fr den Berechtigten
2. Rechtsschutz fr den Verpflichteten
VI. Bewertung der Satzung


I. Zielsetzung

Mit der am 01.11.2000 in Kraft getretenen Satzung soll der Zugang zu digitalen TV-Diensten gesichert werden. Die Satzung regelt verschiedene Ansprche von Programmanbietern und -vermarktern ("Berechtigte") gegenber Anbietern von Zugangsdiensten ("Verpflichtete"). Zielsetzung ist die Verhinderung eines Mibrauchs der "Gatekeeper"-Stellung, die insbesondere die Unternehmen der KirchGruppe innehaben; aber auch andere Dienstleister werden vom Anwendungsbereich der Satzung erfat.

II. Begriffsdefinitionen

Die Begriffsdefinitionen der Satzung sind alles andere als deutlich und przise. Die Begriffsdefinitionen sind weit gefat, wie anhand der Definition der "Zugangsdienste" deutlich wird:

1. Zugangsdienste

Die Definition in 1 Abs. 2 der Satzung fat unter den Begriff "Dienste und Systeme, die - unabhngig von deren bertragungsmedium - der Herstellung, dem Transport, der Vermarktung oder dem Empfang digitaler Datenstrme ber dazu bestimmte Teilnehmerendgerte (Decoder)" dienen, soweit Fernsehdienste bermittelt werden. Rechtstatschlich wird der Zugang zum digitalen Fernsehen zum einen durch die Kontrolle des physischen Zugangsweges, also das Eigentum an Netzen oder Sendeanlagen (Satelliten-, terrestrische Sendeanlagen) beherrscht. Von wesentlicher Bedeutung ist zum anderen die Kontrolle eines Verschlsselungssystems fr die bermittelten Signale ( Conditional Access - CA [engl.]). Bei der Programmausstrahlung durch die Rundfunkveranstalter selbst werden CA-Systeme vor allem zum Schutz von und zur Zugangskontrolle bei Pay-TV-Angeboten wie Premiereworld verwendet. Zunehmend begngen sich aber auch Kabelanlagenbetreiber nicht mehr mit ihrer reinen Transportfunktion, sondern wollen Programmsignale selbst verschlsseln (einschlielich der von den Veranstaltern als "Free TV" ohne Nutzungsgebhren fr die Zuschauer angebotenen Programme), um an der Wertschpfung dieser Programme direkt beteiligt zu werden.
a) Unter "Dienste und Systeme" sind technische Vorrichtungen aller Art zu verstehen, die der Kontrolle des Datenstroms durch einen Informationsmittler (Sendeanlagen- oder Plattformbetreiber) dienen. Whrend in offenen Netzen keine Kontrolle des Datenflusses durch den Netzbetreiber erfolgt und die Anbieter sich darauf beschrnken, den Zugang zu ihren eigenen Angeboten zu erfassen und ggf. zu kontrollieren (bspw. zur Gebhrenerhebung), hat sich im digitalen Fernsehen faktisch ein Modell durchgesetzt, bei dem Netz- oder Plattformanbieter auch fremde Dienste kontrollieren wollen und knnen. Diese Machtstellung mu zur Verhinderung von Mibrauch kontrolliert werden und wird daher rechtlichen Regelungen unterworfen.
b) Mit der Einbeziehung von Diensten, die "der Herstellung, dem Transport, der Vermarktung oder dem Empfang digitaler Datenstrme" dienen, wird der Definitionsbereich erstreckt auf Betreiber bzw. Anbieter von Alle Anbieter solcher Dienste unterliegen den Anforderungen und Verpflichtungen der Satzung.

2. Berechtigte

Von der Satzung begnstigt sind die Nutzer von Zugangsdiensten. Dies sind alle Veranstalter oder Vermarkter eigener oder fremder Fernsehprogramme und begleitenden Angebote, die Zugangsdienste in Anspruch nehmen wollen, 3 der Satzung.

III. Anforderungen und Verpflichtungen nach der Satzung

Zugangsdienste mssen zu angemessenen, chancengleichen und diskriminierungsfreien Bedingungen ( 4 Abs. 1 der Satzung) und soweit mglich entbndelt angeboten werden ( 4 Abs. 3 der Satzung). Entbndelung bedeutet, da der Anbieter wirtschaftlich und technisch trennbare Dienste nicht nur gemeinsam, sondern auch einzeln anbietet, wenn der Berechtigte nur einen einzelnen Dienst bentigt. Zu den weiteren Anforderungen gehrt insbesondere, da fremden Unternehmen dieselben Bedingungen angeboten werden wie konzernzugehrigen Unternehmen ( 4 Abs. 3 Satz 2 der Satzung). Diese Vorschrift verlangt bei gleichem Sachverhalt eine gleichmige Preisgestaltung.

Zur Sicherung der Chancengleichheit des Zugangs kann hingegen gerade eine Preisdifferenzierung erforderlich sein. Dies wird an den explizit erwhnten regionalen TV-Angeboten deutlich, die aufgrund geringerer Reichweitenerwartungen nicht die Vergtungen bundesweiter Programme aufbringen knnen. Entsprechendes gilt fr alle Arten von Spartenprogrammen.

Mit 13 Abs. 4, 15 Abs. 4 enthlt die Satzung Regelungen, die im Gegensatz zu den Vorschriften, die konkurrierende Programmplattformen begnstigen, schon in nchster Zukunft von Bedeutung sein werden. Whrend konkurrierende Pay-TV-Plattformen auf dem deutschen TV-Markt derzeit nicht zu erwarten sind, regeln diese Vorschriften nmlich die bereits heute strittige ffnung des Endgertemarktes. Bisher konnten die KirchGruppe und die Deutsche Telekom AG durch die verwendete Verschlsselungstechnologie und die Exklusivitt von Programmrechten ein Endgertemonopol fr die d-box durchsetzen. Die Satzung sieht in den genannten jetzt Vorschriften vor, nach denen marktbeherrschende, vertikal integrierte Anbieter von Programmen und Zugangsdiensten ihre Programme auch ber dritte Dekodersysteme empfangbar machen mssen. Die Landesmedienanstalten greifen damit eine ffentliche Forderung auf, die auch im Verfahren der Europischen Kommission ber die Beteiligung von BSkyB an der KirchGruppe eine wesentliche Rolle spielte. Die KirchGruppe und wohl auch die Deutsche Telekom AG mssen daher fr die von ihnen angebotenen Programme die Voraussetzungen zur Nutzbarkeit ber Fremddekoder herbeifhren. Eine wichtige Forderung insbesondere der Gertehersteller, aber auch von Interessenvertretungen wie dem Free Universe Network e.V. (FUN) wird damit erfllt. Die zustndige Landesmedienanstalt kann zur Herstellung der erforderlichen technischen Voraussetzungen nach der bergangsvorschrift des 16 Abs. 1 der Satzung eine Frist bestimmen. Denkbare Verfahren sind insbesondere die Verschlsselung mit mehreren Schlsseln (Simulcrypt) oder die Herstellung der Nutzbarkeit des Kirch'schen Verschlsselungssystems durch Dekoder dritter Hersteller mittels Common Interface (CI). Die Landesmedienanstalten prferieren offenbar die letztgenannte Lsung, ohne sich jedoch darauf verbindlich festlegen zu wollen (vgl. 13 Abs. 1 Satz 3 der Satzung).

IV. Verfahrensvorschriften

Die Aufnahme von Zugangsdiensten ist bei der zustndigen Landesmedienanstalt unverzglich anzuzeigen. Zustndig ist die Landesmedienanstalt, in deren rumlichem Zustndigkeitsbereich der Veranstalter seinen Sitz hat. Die rtliche Zustndigkeit der Landesmedienanstalt richtet sich nach 11 der Satzung, hilfsweise nach dem jeweiligen Landesrundfunk- oder -mediengesetz, in Ermangelung einer Regelung in diesem Gesetz nach den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Lnder. Zustndig ist danach in der Regel - in Abweichung von der bei einzelnen Landesmedienanstalten gebten Praxis - die Sitzlandanstalt. Es ist zu hoffen, da bei Klrung der Zustndigkeit durch die Gemeinsame Stelle Digitaler Zugang gem. 11 Abs. 2 der Satzung diese Grundstze in Zukunft auch tatschlich wieder Beachtung finden werden.

V. Rechtsschutz

1. Rechtsschutz fr den Berechtigten

a) Verwaltungsrechtliche Vorgehensweise

Der Berechtigte kann zunchst die in der Satzung selbst vorgesehenen Verfahren der Offenlegung technischer Parameter und Entgelte ( 7 der Satzung) und das Beschwerdeverfahren ( 9 der Satzung) einleiten. Zum Beschwerdeverfahren ist allerdings erforderlich, da ein "Veranstalter" handelt. Die Satzung lt offen, ob davon alle Berechtigte nach 3 der Satzung umfat sind oder ob das Beschwerderecht mit dem Begriff auf zugelassene Rundfunkveranstalter eingeengt werden soll.

Auszugehen ist davon, da mit "Veranstalter" jeder Berechtigte im Sinne der Satzung gemeint ist. Denn es ist nicht anzunehmen, da der Dreh- und Angelpunkt der Satzung, das Beschwerderecht, in Abweichung vom ansonsten weiten Wortlaut der Berechtigungen auf zugelassene Veranstalter eingeengt werden sollte. Vielmehr kann jeder Berechtigte das Verfahren einleiten und die moderierende und letztlich beaufsichtigende Rolle der zustndigen Landesmedienanstalt in Anspruch nehmen.

Die Landesmedienanstalt ist bei Einleitung eines Beschwerdeverfahrens berechtigt und verpflichtet,

  • die geltend gemachten Ansprche des Beschwerdefhrers zu prfen und
  • gegebenenfalls nach fruchtlosem Ablauf der Abhilfefrist selbst geeignete Manahmen zur Abhilfe zu ergreifen.
Sollten derartige Manahmen nicht ergriffen werden, steht dem Berechtigten der verwaltungsgerichtliche Rechtsweg zur Erzwingung eines satzungsgemen Vorgehens der Landesmedienanstalt offen (Verpflichtungs- oder Bescheidungsklage). Gegen ablehnende Bescheide der Landesmedienanstalt ist das Rechtsmittel der Anfechtungsklage gegeben.

b) Zivilrechtliche Vorgehensweise

Zivilrechtliche Ansprche gegen den Verpflichteten knnen im Wege wettbewerbs- oder kartellrechtlicher Verfahren geltend gemacht werden. In Betracht kommt zum einen bei einer unmittelbaren Wettbewerbssituation zwischen dem Verpflichteten und dem Berechtigten ein Vorgehen aus 1, 3 UWG unter dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch. Zum anderen sind auch die Mibrauchstatbestnde des GWB anwendbar, wenn es sich bei dem Verpflichteten um ein marktstarkes Unternehmen handelt. Der zivilrechtliche Rechtsschutz wird durch die Mglichkeit eines verwaltungsrechtlichen Verfahrens nicht ausgeschlossen.

2. Rechtsschutz fr den Verpflichteten

Der Verpflichtete kann sich gegen Manahmen der Landesmedienanstalt durch Widerspruch und ggf. Anfechtungs- oder Feststellungsklage verwaltungsrechtlich zur Wehr setzen. Seine Klage kann aufschiebende Wirkung haben, denkbar ist aber auch die Anordnung sofortigen Vollzugs von Manahmen der Landesmedienanstalt aufgrund der hohen Bedeutung der Zugangssicherung fr die Meinungsvielfalt.

VI. Bewertung der Satzung

Die Satzung fllt nicht durch besonders przise und stringente Formulierung auf, sondern erscheint eher mit der heien Nadel gestrickt. Dadurch lt sie mehr Fragen offen, als wnschenswert wre, insbesondere in den Kernfragen, was ein "Zugangsdienst", wer "Berechtigter" und wer "Verpflichteter" ist und ob der beschwerdeberechtigte Veranstalter das gleiche ist wie der "Berechtigte".

Weitere Fragen im schwierigen Verhltnis von Kabelanlagenbetreibern, Programmveranstaltern und Plattformbetreibern kann die Satzung aufgrund der begrenzten Ermchtigung durch 53 RStV selbst nicht klren. So bleibt die Satzung etwa Antworten auf die Frage schuldig, ob ein Kabelanlagenbetreiber in eigener Regie Free- und/oder Pay-TV-Programme entbndeln und neu zu digitalen Paketen zusammenstellen und den Nutzern gesondert in Rechnung stellen darf. Diese Fragen haben nicht nur urheberrechtlichen Charakter, sondern berhren auch die Rundfunkfreiheit.

Dennoch enthlt die Satzung insbesondere mit 13 Abs. 4, 15 Abs. 4 Regelungen, die angesichts der Unwahrscheinlichkeit zustzlicher Programmplattformen schon in nchster Zukunft von Bedeutung sein werden. Es bleibt abzuwarten, ob die Landesmedienanstalten tatschlich die Kraft aufbringen, die ffnung der Mrkte fr digitalen Rundfunk zu verbessern, oder ob sie die Standortpolitik in den Vordergrund stellen werden.


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Patrick Mayer, 2000 / Alle Rechte vorbehalten / Stand: 2000-12-03 / URL: http://www.artikel5.de/artikel/digizu-erl.html