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Marke oder Meinungsfreiheit
20. März 2001

Warum Greenpeace zu Recht die Domain "oil-of-elf" genutzt hat

von RA Dr. Patrick Mayer

(Dieser Beitrag wurde von Patrick Mayer für die Netzinitiative Freedom For Links verfasst und ist nunmehr hier veröffentlicht)

1.
Domain Names sind ein System leicht erinnerbarer Platzhalter für die IP-Adressen, die im Internet einen Rechner oder eine andere "Ressource" eindeutig identifizieren. Die vom Nutzer verlangte Adressangabe nach dem Schema "http://194.98.187.22/" überfordert ihn regelmäŸig. Daher besteht die Möglichkeit der indirekten Eingabe über den Domain Name, beispielsweise "http://www.freedomforlinks.de/".

Die dafür verwendeten Buchstaben- und Zahlenkombinationen sind aus technischer Sicht bei Beachtung bestimmter Konventionen frei wählbar. Die Vergabe durch die Registrierstellen und Internet Service Provider erfolgt ungeprüft und allein aufgrund der Bekundung des Nutzers, diese Domain nutzen zu wollen und zu dürfen. Daher ist auch die Nutzung von Zeichenfolgen (Strings) möglich, die einem fremden geschützten Kennzeichen (Firmenname, persönlicher Name, Marke, Werktitel) insoweit entspricht, als der hauptsächlich bedeutungstragende Teil, die Second Level Domain (zwischen "www." und ".de") mit diesem identisch oder verwechslungsfähig sein kann.


2.
Rechtlich stellt sich dann die Frage, ob und unter welchen Bedingungen in dieser „hnlichkeit oder Identität eine Verletzung des Namens- oder Kennzeichenrechts des anderen Inhabers liegt. Die Gerichte in Deutschland nehmen eine solche Verletzung an, wenn eine Namensleugnung oder Zuordnungsverwirrung vorliegt, wenn also unklar ist, ob die Webseite von dem Inhaber des Namens oder Kennzeichens stammt oder nicht. So wurde in den bis heute entschiedenen Fällen eine Namens- oder Kennzeichenverletzung immer dann angenommen, wenn

- Name und Domain in ihrem unterscheidungskräftigen Bestandteil identisch oder doch verwechslungsfähig sind,
- dem Nutzer der Domain kein eigenes Namensrecht zukommt und
- die Verwendung geeignet ist, einen Irrtum über die Herkunft
der Webseite zu erregen.

3.
Weitergehende Erwägungen spielten selten eine Rolle, weil auch die Verletzten vielfach nur Rechte geltend machten, wenn eindeutige Fälle vorlagen. Dies war insbesondere dann der Fall, wenn der Nutzer der Domain weder selbst eine Berechtigung zur Führung der Domain geltend machen konnte (weil er selbst, seine Firma oder sein Produkt ganz anders hieŸen oder der Inhalt der Webseite nichts mit dem genutzten Namen zu tun hatte) noch sonst ein berechtigtes Interesse an der Nutzung geltend machen konnte. Fälle, in denen die Rechtsprechung bereits zu differenzierterer Betrachtung gezwungen ist, sind die Fälle der Gleichnamigkeit (der Nutzer der Domain führt denselben Namen wie der Anspruchsteller) und der Nutzung von Allgemeinbegriffen.

4.
Dagegen hat sich das Landgericht Berlin erstmalig mit einem Fall zu befassen gehabt, in dem die Zulässigkeit einer Namensverwendung im Interesse einer politischen Auseinandersetzung mit dem Namensträger in der Domain selbst im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht. Das Gericht hat sich völlig vordergründig damit begnügt, festzustellen, die Domain "oil-of-elf.de" enthalte den geschützten Namen "Elf" und verletze daher die Rechte des –lkonzerns TotalFinaElf - wobei schon offen blieb, ob an dem Begriff "Elf" nach der Fusion überhaupt noch Rechte geltend gemacht werden können.

5.
Dem Namensrecht gegenüber steht jedoch das Recht von Greenpeace zur freien MeinungsäuŸerung.
Artikel 5 des Grundgesetzes bestimmt:

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äuŸern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten."

Nach Absatz 2 finden diese Rechte ihre Grenzen in den allgemeinen Gesetzen, zu denen auch das vom Landgericht Berlin hoch geschätzte Namensrecht gemäŸ §12 BGB zählt:

§12 BGB
Wird das Recht zum Gebrauch eines Namens dem Berechtigten von einem anderen bestritten oder wird das Interesse des Berechtigten dadurch verletzt, dass ein anderer unbefugt den gleichen Namen gebraucht, so kann der Berechtigte von dem anderen Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen.


Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat früh erkannt, dass sich aus der Schrankenbestimmung des Absatz 2 von Artikel 5 Grundgesetz unzulässige Einschränkungen des Grundrechts ergeben können, wenn Gesetzgebung oder Rechtsprechung versuchen, das Grundrecht über die einfachen Gesetze auszuhöhlen. Daher ist nach der Wechselwirkungs- oder "Schranken-Schranken-Theorie" jedes die Meinungsfreiheit berührende Gesetz seinerseits im Lichte gröŸtmöglicher Schonung des Grundrechts auszulegen. Das Grundrecht darf also durch das einfache Recht nicht zu einem "nudum ius", einem inhaltsleeren Recht, werden. Der "besondere Wertgehalt" des Grundrechts muss vielmehr erhalten bleiben (BVerfGE 7, 208 - "Lüth", st.Rspr., vgl. z.B. auch BVerfGE 50, 241). Zur Feststellung des jeweiligen Vorrangs ist daher eine Güterabwägung im Einzelfall unerlässlich (BVerfGE 35, 224). Schon daran mangelt es in der Entscheidung des LG Berlin, das zwar darauf verwiesen hat, Greenpeace bleibe es unbenommen, seine Meinung über Elf auf den Webseiten selbst zu äuŸern, das damit aber den Bereich der Streitfrage gerade verlassen und die entscheidende Frage, ob für die Domain-Nutzung selbst eine Berufung auf die Meinungsfreiheit möglich ist, einseitig zugunsten des Namensrechts des Unternehmens entschieden hat, ohne in die gebotene Abwägung mit dem Interesse der Meinungsfreiheit einzutreten.

6.
Im Rechtsstreit zwischen TotalFinaElf und Greenpeace wird daher die nächste Instanz, das Kammergericht (KG) Berlin, zu klären haben, ob

- durch den Domain Name "oil-of-elf.de" das Namensrecht
von TotalFinaElf ¸berhaupt verletzt wird,
- ob dann nicht dennoch die Nutzung der Domain durch die Freiheit
der MeinungsäuŸerung gerechtfertigt sein könnte, ob also die Freiheit der MeinungsäuŸerung verletzt ist, wenn aufgrund von Namens- oder Markenrechten die Nutzung einer firmenkritischen Domain untersagt werden soll, und schlieŸlich
- ob in einem solchen Konfliktfall nicht das Grundrecht vor dem
einfachen Marken- oder Namensrecht Vorrang hat.


7.
Ein Eingriff in die Meinungsfreiheit liegt immer dann vor, wenn durch eine staatliche (somit auch gerichtliche) MaŸnahme die „uŸerung einer bestimmten Meinung ver- oder zumindest behindert wird. Für die MeinungsäuŸerung im Internet ist aber erste Voraussetzung, dass diese Meinung in der Flut anderer „uŸerungen auffindbar ist. Daher zählt die Domain-Adresse - neben anderen Möglichkeiten, die Auffindbarkeit zu erhöhen, wie etwa der Verwendung geeigneter Meta-Tags - zu den erstrangigen Hilfsmitteln, eine Meinung zu äuŸern. Die Domain kann sogar selbst Teil der MeinungsäuŸerung sein. Vorliegend wurde damit mit dem Verbot der Domain in die Freiheit der MeinungsäuŸerung eingegriffen.

8.
In der Abwägung, ob in einem Fall wie hier, in dem sich Marken- oder Namensinteressen und das Interesse des Domain-Nutzers an der Auffindbarkeit seiner MeinungsäuŸerung gegenüberstehen, wird jedenfalls beachtet werden müssen, ob der durchschnittliche Nutzer durch die Domain über die Herkunft der Seiten getäuscht wird. Dies ist bei "oil-of-elf" weder durch die Domain an sich noch - erst recht - bei Berücksichtigung des Inhalts der Seiten der Fall. Vielmehr wird die StoŸrichtung der „uŸerungen von Greenpeace ohne weiteres und sofort ersichtlich: es geht um Kritik an den Geschäftspraktiken von Elf, nicht um die Bewerbung von deren Dienstleistungen oder Produkten. Eine Herkunftstäuschung ist daher weder vom Namen selbst noch bei Berücksichtigung des Inhalts der Seiten zu erwarten. Das Landgericht Berlin hat daher zu Unrecht in die Freiheit der MeinungsäuŸerung eingegriffen und in einem besonders sensiblen Fall ein viel zu weit gefasstes Markenrecht vor die Freiheit der MeinungsäuŸerung gesetzt.

9.
Noch fehlt der Hinweis des Gerichtes oder von TotalFinaElf, an welcher Stelle im Grundgesetz sich der Schutz von Marken oder Firmennamen findet. Die Meinungsfreiheit ist jedoch eines der höchsten Güter in dieser Verfassung, was das Bundesverfassungsgericht auch bei allen entsprechenden Entscheidungen betont hat. Auch bei Berücksichtigung berechtigter Interessen von TotalFinaElf ist daher die Untersagung zu weitgehend.

10.
Bei der Klage gegen Greenpeace handelt es sich dazuhin um die Verlagerung eines politischen Konfliktes, in dem es um Fragen des Umweltschutzes und der Verantwortung von deutschen Produzenten und Verbrauchern an Umweltskandalen in (vermeintlich) fernen Ländern geht, in die Niederungen des bundesdeutschen Marken- und Namensrechts. In der rechtswissenschaftlichen US-amerikanischen Literatur wurde für solche Prozesse der Begriff "SLAPP" geprägt: "Strategic Lawsuit Against Public Participation". Damit sind Rechtsstreitigkeiten gemeint, in denen mächtige gesellschaftliche Einheiten (Firmen, Gruppen oder Behörden) MeinungsäuŸerungen unterdrücken, indem sie sich auf Marken-, Namens- oder auch Urheberrechtsverletzungen berufen, die angeblich bei der MeinungsäuŸerung begangen wurden. Zielrichtung eines SLAPP ist aber, die Kritiker selbst mundtot zu machen. Namhafte Beispiele solcher Praktiken sind die Prozesse von Scientology gegen Menschen, die ihre internen Unterlagen veröffentlichen. Die Gerichte müssen daher Methoden entwickeln, solchen strategischen Prozessen vorzubeugen, indem sie die Meinungsfreiheit in allen Fällen, in denen ihr der Vorrang zukommt, auch den Vorrang geben.

Dr. Patrick Mayer

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