Stellungnahme von Prof. Dr. Ulrich Sieber fr den Angeklagten Felix Somm

P R O F. D R. U L R I C H S I E B E R

Ordinarius fr Strafrecht, Strafprozerecht, Informationsrecht und Rechtsinformatik an der
U N I V E R S I T T W R Z B U R G

Entgegnung auf die Anklage der Staatsanwaltschaft

in dem Strafverfahren vor dem AG Mnchen Az. ...
am 12. Mai 1998 in Mnchen -

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I. Persnliche Vorbemerkung: Zum Grund dieser Stellungnahme

Herr Felix Somm hat mich gebeten, seine Einlassung zur Anklage vor dem Amtsgericht Mnchen vorzutragen. Wenn ich dieser Bitte nachkomme, so ist dies fr mich ein ungewhnlicher Vorgang, der kurz begrndet werden soll.

Bei der Verbreitung strafbarer Inhalte im Internet stehe ich normalerweise nicht auf der Seite der Verteidigung. Kinderpornographie verabscheue ich ebenso wie wohl alle hier Anwesenden. Computermibrauch bekmpfe ich in Deutschland und Europa seit ber 20 Jahren: bereits 1984 als Sachverstndiger fr den Rechtsausschu des Deutschen Bundestages bei der Entwicklung des heutigen Computerstrafrechts; dann ber viele Jahre als Experte zur Bekmpfung von Computerdelikten fr die OECD, den Europarat, die Europischen Kommission, die G7-Staaten und die Vereinten Nationen; zur Zeit als Gutachter ber eine verbesserte Verfolgung von Kinderpornographie in internationalen Datennetzen fr das Bundesjustiz- und das Bundesforschungsministerium sowie als persnlicher Sonderberater eines EG-Kommissars. Sie finden mich hufig in der Kooperation mit dem Bundeskriminalamt, auch als Nebenklger und Vertreter des Opfers, aber bisher nie als Verteidiger im Bereich des Computermibrauchs.

Wenn ich heute gleichwohl hier am Tisch der Verteidigung den Anspruch von Herrn Somm auf rechtliches Gehr vertrete, so hat dies besondere Grnde, die nicht nur fr die Beurteilung dieses Falles durch mich mageblich sind, sondern auch durch das Gericht und die Staatsanwaltschaft.

Die heute verhandelten Vorwrfe gegen Herrn Somm fhrten whrend des Ermittlungsverfahrens zu einer vernichtenden Presse im Ausland, vor allem auch gegenber dem "Weltpolizisten" Deutschland, der bayerischen Justiz und dem Technologiestandort Bayern. Amerikanische Fachleute fragten mich hmisch: "Haben die Deutschen eine neue Filtermaschine fr Pornographie erfunden, von der wir in Amerika noch nichts wissen" Vor dem Goethe-Institut in San Francisco wurde deutsches Bier ausgegossen, um gegen die bayerische Justiz zu protestieren. Namhafteste US-Firmen wandten sich in der "Global Internet Liberty Campaign" gegen dieses Verfahren in einem besorgten Brief an Bundeskanzler Kohl. Dies sind allerdings die falschen Reaktionen und Adressaten. Nicht die Politik, sondern ein unabhngiges Gericht mu hier entscheiden.

Sie, hohes Gericht, tragen deswegen in diesem Verfahren ebenso wie der Vertreter der Staatsanwaltschaft eine groe Verantwortung: fr den Angeklagten, fr die Weiterentwicklung des deutschen Computerstrafrechts, fr wirksame Lsungen bei der Bekmpfung der Kinderpornographie und fr die Entwicklung des Internet, das die zuknftige globale Informationsgesellschaft prgen wird. Dieser Verantwortung mchte ich mich ebenfalls stellen: Deswegen bin ich heute hier. Und am Tisch der Verteidigung sitze ich, weil sich die hier verlesene Anklage gegen die falsche Person richtet und auf Miverstndnissen beruht:

Die Verteidigung will diese Miverstndnisse der Anklageschrift richtig stellen. Sie sucht das Verstndnis des Gerichts und der Staatsanwaltschaft, weil das Verstndnis dieses Falles und der technischen Zusammenhnge zum Freispruch des Angeklagten fhren mu. Die folgende Einlassung fr Herrn Somm legt dazu die mageblichen Gesichtspunkte dar. Da der Fall neuartige technische und rechtliche Fragen aufwirft, mu sie dazu etwas weiter ausholen als in anderen Fllen, wenn sie den Anspruch von Herrn Somm auf rechtliches Gehr zur Anklage gerecht werden soll.

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II. Erklrung fr den Angeklagten: Der magebliche Sachverhalt und seine rechtliche Beurteilung

Fr das Verstndnis des vorliegenden Falles ist entscheidend, da im Internet drei Funktionen klar voneinander unterschieden werden und der Aufgabenbereich von Herrn Somm diesen Funktionen richtig zugeordnet wird: Damit ein Nutzer - im vorliegenden Fall war dies die bayerische Kriminalpolizei - Kinderpornographie abrufen kann, braucht man in einem offenen Computernetz mindestens drei Funktionstrger: den Content-Provider, den Access-Provider und den Service-Provider:
Die Unterscheidung dieser drei Funktionen der Content-, Access- und Service-Providers sowie ihrer rechtlichen Verantwortlichkeit ist der Schlssel zum Verstndnis des vorliegenden Falles. Diese drei Funktionen sind deswegen hier in bezug zur Ttigkeit von Herrn Somm zu setzen.

1. Die Content-Provider der angeklagten Inhalte

Zunchst zu den Content-Providern der in der Anklage genannten Inhalte: Die Content-Provider oder Inhaltsanbieter, die Informationen produzierten oder in Computernetzen zur Verfgung stellten, waren - bei dem Anklagepunkt II.1 - die Urheber der pornographischen Daten in den Newsgroups bzw. - in den Anklagepunkten II.2 und 3 - die Urheber der indizierten Spiele. Diese Personen sind die eigentlichen Tter. Sie mssen innerhalb des Geltungsbereichs der deutschen Strafgerichtsbarkeit und des Geltungsbereichs der Entscheidungen der Bundesprfstelle fr jugendgefhrdende Schriften mit Nachdruck verfolgt werden. Fr sie gilt: Was offline strafbar ist, mu auch online strafbar sein und verfolgt werden. Die seit Mitte letzten Jahres geltende Bestimmung von 5 Abs. 1 Teledienstegesetz formuliert dies zutreffend. Zitat: "Diensteanbieter sind fr eigene Inhalte, die sie zur Nutzung bereit halten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich."

Herr Somm war unbestritten kein derartiger Inhaltsanbieter. Er verabscheut kinderpornographische Inhalte ebenso wie Sie auch - um diese Klarstellung bittet er ausdrcklich. Er hat whrend seiner Zeit als Geschftsfhrer der deutschen CompuServe GmbH alles ihm Mgliche getan, um die Anbieter kinderpornographischer Inhalte zu verfolgen, zu identifizieren und vor Gericht zu bringen. Die Akte des vorliegenden Falles besttigt dies, vor allem weil sie viele Randermittlungen enthlt: Sie zeigt zahlreiche Vorgnge, in denen die von Herrn Somm gefhrte deutsche CompuServe GmbH die Polizei bei der Ermittlung von Urhebern strafbarer Inhalte untersttzte. Herr Somm hat diese Untersttzung bei Anfragen der Polizei stets engagiert erteilt und nicht - was sein Recht gewesen wre - auf richterlichen Anordnungen bestanden oder sich auf die Straffreiheit des Access-Providers im Hinblick auf diese Inhalte berufen.[1] Mit diesen Inhaltsanbietern hatte Herr Somm - von ihrer Bekmpfung und Verfolgung abgesehen - daher nichts zu tun! Er befand sich eindeutig auf der Seite der Strafverfolgung, die er durch seine Kooperation oft erst ermglichte.[2]

2. Der Access-Provider deutsche CompuServe GmbH

a) Technische Grundlagen und Aufgaben von Herrn Somm

Herr Somm und die deutsche CompuServe GmbH standen nicht nur in der Sache auf der Seite der Strafverfolgung: Auch funktionell waren sie weit von den Urhebern der Kinderpornographie entfernt. Als Access-Provider vermittelte die deutsche CompuServe GmbH den deutschen Nutzern einen Zugang zu internationalen Computernetzen, der sowohl Daten aus dem internationalen (proprietren) Angebot der amerikanischen CompuServe Inc. umfate, als auch einen Zugang zum Internet. Diese - vom Angeklagten in bestimmten Umfang verantwortete - Funktion des Access-Providers ist dadurch gekennzeichnet, da der Access-Provider Daten nicht speichert, sondern nur die erforderliche Kommunikationsstruktur fr den Datenabruf schafft, ohne aber dabei auf die Inhalte Einflu zu nehmen. Beim Access-Provider werden die Daten dabei - in der Form von simplen Nullen und Einsen - nur in Sekundenbruchteilen durchgeleitet.

b) Straflosigkeit von Herrn Somm aufgrund von 5 Abs. 3 TDG

Diese - von Herrn Somm ausgebte Funktion der Zugangsvermittlung - ist nach der klaren Regelung von 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes bzw. 5 Abs. 3 des Mediendienstestaatsvertrags eindeutig straflos. Zitat des Gesetzestextes: "Diensteanbieter sind fr fremde Inhalte, zu denen sie lediglich den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich." Genau diese Bestimmung gilt - nach 2 Abs. 3 StGB auch rckwirkend - fr die deutsche CompuServe GmbH und Herrn Felix Somm.[3] Mit dieser Feststellung knnte das vorliegende Verfahren beendet werden. Da diese gesetzliche Regelung in dem vorliegenden Verfahren bisher noch nicht verstanden oder akzeptiert wurde, mu allerdings noch auf die Grnde eingegangen werden, die hinter 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes stehen und die im brigen - auch ohne die gesetzliche Spezialregelung - zur Straflosigkeit von Herrn Somm fhren wrden.[4]

c) Die Begrndung des 5 Abs. 3 TDG

Hinter der eindeutigen gesetzlichen Regelung von 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes stehen im wesentlichen drei Grnde:

Straflosigkeit von sozial ntzlichem Verhalten

Der erste Grund fr die Straflosigkeit der bloen Zugangsvermittlung - und damit auch fr Herrn Somm - ist rechtlicher Art. Er beruht darauf, da wir sozial ntzliches Verhalten nicht bestrafen, auch wenn es von dritten Personen zur Begehung von Straftaten ausgenutzt wird: ber 99% der Inhalte des Internet sind - ebenso wie die Daten der propietren Foren der amerikanischen CompuServe Inc. - nicht nur rechtmig, sondern meist auch ntzlich. Wertvolle Informationen, die frher unerreichbar schienen, sind heute mit Hilfe von Computernetzen oft nur einen "Mausklick" entfernt! Aus diesem Grunde ist die Rolle eines Zugangsvermittlers zu diesen Inhalten, grundstzlich sozial wnschenswert. Sie wird in Deutschland auch durch staatliche Zuschsse gefrdert - in Bayern beispielsweise in Form des Brgernetzes.

Ein strafbares Tun ist diese Zugangsvermittlung des Access-Providers zu fremden Daten deswegen nicht, auch dann nicht, wenn der Access-Provider im Einzelfall von dritten Personen zum Transport rechtswidriger Daten mibraucht wird. Die deutsche Justiz verfolgt auch nicht den bayerischen Ministerprsidenten, weil er der Bevlkerung mit dem Bayerischen Brgernetz Zugang zum Internet gewhrt. Dasselbe gilt fr den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Telekom, wenn ber dessen Telefonleitungen einmal Verbrechen verabredet oder Sex-Dienste angeboten werden. Sie verurteilt ebensowenig den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Lufthansa, weil deren Bangkok-Flge auch von Sex-Touristen benutzt werden. Auch der Vorstandsvorsitzende von Mercedes Benz wird nicht etwa deshalb bestraft, weil seine Autos gelegentlich als Tatmittel zum Abtransport von Diebesgut mibraucht werden. Derartige Mibruche werden dem Verantwortlichen einer sozial ntzlichen Infrastruktur grundstzlich nicht mehr zugerechnet.[5]

Unmglichkeit und Unzumutbarkeit von Zugangskontrollen bei Access-Providern

Der zweite Grund fr die von 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes garantierte Straflosigkeit des bloen Access-Providing von Herrn Somm ist technischer Natur: Er liegt darin, da das Recht nicht etwas fordern kann, was technisch unmglich, unzumutbar oder unsinnig ist. Die in der Anklageschrift geforderten Filtermanahmen sind dies jedoch, nicht nur fr Herrn Somm im konkreten Fall, sondern ganz allgemein: Die fehlende Kontrollmglichkeit der Zugangsvermittlung beruht nicht nur wie im vorliegenden Fall auf dem konkreten X.25-Netz, das nur aus einfachen Telefonvermittlungsrechnern bestand und z.B. nicht die unmittelbare Anbindung an das Internet mit SLIP- oder PPP-Protokollen bot. Anschaulich formuliert bedeutet dieser technische Sachverhalt: Die Forderung einer Inhaltskontrolle in einem X.25-Netz ist mit der Forderung an eine taubstumme Telefonistin zu vergleichen, sie mge den weltweiten Telefonverkehr in ber 150 verschiedenen Sprachen berwachen.[6]

Vielmehr ist es ganz allgemein technisch nicht mglich, die im Internet bertragenen riesigen Datenmengen beim Access-Provider (insbesondere in Echtzeit) zu kontrollieren: Im Internet laufen heute ber die gleichen Netzknoten nicht nur News, sondern - in zahlreichen, oft unbekannten und verschlsselten Formaten - private Post, Geschftskorrespondenz, Kreditkarteninformationen usw. Schon der gesunde Menschenverstand mte die Unmglichkeit verdeutlichen, all diese Dateninhalte - in Echtzeit (!) - lesbar zu machen, zu kontrollieren und strafbare Inhalte auszufiltern. Soll der Zugriff eines deutschen Nutzers z.B. auf amerikanische Informationsangebote denn erst erfolgen, nachdem die abgerufenen Daten - sofern berhaupt technisch realisierbar - von einem Kontrolleur geprft worden sind Sollen auch die ca. 300 unabhngigen Access-Provider in Deutschland blockiert werden, welche die gleichen Zugangsmglichkeiten vermitteln Wie will man die Tausende offener Telefonleitungen kontrollieren, die Verbindungen zu auslndischen Access- und Service-Providern ermglichen[7] Solche Kontrollen sind unmglich! Dies gilt auch fr den Bereich der Newsgroups, da deutsche Nutzer bei einer Sperrung von Newsgroups auf deutschen Servern problemlos - z.B. ber den WWW-Dienst - in Echtzeit auf zahlreiche auslndische (z.B. englische oder amerikanische) Newsserver zugreifen knnen, wenn der WWW-Zugriff und andere Dienste nicht ebenfalls kontrolliert werden, was einfach nicht mglich ist. Das Kontrollkonzept der Anklageschrift ist deswegen mit dem Versuch gleichzusetzen, den Ozean mit der Hand ausschpfen zu wollen. Ist dem Verfasser dieser Anklageschrift berhaupt bewut gewesen, mit welcher Hybris er hier ein gigantisches technisches Kontrollkonzept vorgeschlagen hat

Freier Datenverkehr ohne Totalberwachung

Es geht aber nicht nur um ein technisch unmgliches Kontrollkonzept: Zu dem technischen Gesichtspunkt kommt drittens ein rechtspolitischer Grund: Eine entsprechende Kontrolle des internationalen Datenverkehrs wre aus gesellschaftlichen Grnden gar nicht wnschenswert: Weil die gleichen Netzknoten nicht nur News bermitteln, sondern z.B. auch private Post, Geschftskorrespondenz oder Kreditkarteninformation, wrde eine effektive Kontrolle der bermittelten News eine Gesamtkontrolle all dieser Daten erfordern. Es ist einfach falsch, wenn die Staatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme darauf hinweist, man bruchte nur die strafbaren Inhalte zu kontrollieren. Weil man den Datenpaketen im Internet ihren Inhalt nicht ansieht, mte vielmehr der gesamte Datenverkehr ber die Netzknoten berprft werden. Dies bedeutete eine Totalberwachung der Brger und der Wirtschaft, die in der Volksrepublik China zwar erfolglos versucht wird, fr eine Demokratie jedoch unvorstellbar ist und gegen international verbrgte Menschenrechte verstoen wrde.[8] Es stellt sich deswegen erneut die Frage: Ist sich der Verfasser der Anklageschrift bewut gewesen, welch totalitres Konzept einer Totalberwachung seine Forderung bedeutet

Den geschftsmigen Erbringern von Tekekommunikationsdiensten ist es gem 85 des Telekommunikationsgesetz aus guten Grnden untersagt, "sich oder anderen ber das fr die geschftsmige Erbringung der Telekommunikationsdienste erforderliche Ma hinaus Kenntnis vom Inhalt ... der Telekommunikation zu verschaffen." und dienstliches Wissen fr andere Zwecke zu verwenden oder weiterzugeben.[9] Ist sich der Verfasser der Anklageschrift bewut gewesen, da sein Kontrollkonzept - konsequent durchgefhrt - auch gegen den Schutz des Fernmeldegeheimnisses und elementare Grundstze des Datenschutzes verstoen wrde, die derartige Kontrollen gerade verhindern wollen

d) Konsequenzen

Kennt man diese - hinter 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes stehenden - technischen, gesellschaftlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, dann wird der zentrale Vorwurf der Anklageschrift (Seite 14) abwegig. Zitat aus der Anklageschrift: "Fr den Angeschuldigten wre es ... zumutbar gewesen, nach Kenntnis der strafrechtlich einschlgigen Bereiche des Datennetzes diese aus dem Datenflu durch die Installation geeigneter technischer Gerte herauszufiltern. ... So htte er den Datenflu aus den USA ber eine elektronische Datenverarbeitungsanlage in Deutschland lenken knnen, die den Zugriff auf bestimmte Dateibereiche verhindert (sog. Firewall-Rechner)." Diese Ausfhrungen widersprechen nicht nur 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes. Sie sind - gerade im Bereich eines X.25-Netzes - technisch unhaltbar. Sie beruhen auf einer Ideologie der Totalberwachung, die wir sonst nur in totalitren Staaten finden und die wir - auch mit dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses und dem Datenschutz - in Deutschland verhindern wollen.

Der Gesetzgeber war jedenfalls klug beraten, als er aufgrund der dargestellten Grnde in 5 Abs. 3 Teledienstegesetz klarstellte, da Diensteanbieter - wie die deutsche CompuServe GmbH - fr die bloe Zugangsvermittlung nicht verantwortlich sind. Da ich bei der Entwicklung von 5 des Teledienstegesetzes sowohl das Bundesforschungsministeriums als auch den zustndigen Parlamentsausschu beraten habe, kann ich Ihnen dazu versichern, da die Straflosigkeit der Zugangsvermittlung in 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes auch den Zweck haben sollte, im konkreten Fall einen Sachverstndigenstreit darber zu vermeiden, ob Kontrollen bei der Zugangsvermittlung vielleicht im Einzelfall noch mglich gewesen wren: Der Gesetzgeber wollte beim Zugangsvermittler keine derartigen Kontrollen und wollte auch keine Diskussion ber die Zumutbarkeit einzelner Kontrollmanahmen. Der Gesetzgeber wollte - ohne wenn und aber - einen freien unkontrollierten Datenverkehr! Und er hat dies auch eindeutig im Gesetz geregelt: "Diensteanbieter sind fr fremde Inhalte, zu denen sie lediglich den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich."

Die - damit wohl begrndete - Normierung von 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes bedeutet fr das vorliegende Verfahren: Sobald feststeht, da die deutsche CompuServe GmbH strafbare Dateninhalte nicht speicherte, sondern mittels eines X.25-Netzes nur einen Zugang zu amerikanischen Servern vermittelte, mu Herr Somm von der vorliegenden Anklage freigesprochen werden. Weiterer Beweiserhebungen bruchte es nicht.

3. Der Service-Provider CompuServe Inc. in den USA

a) Technische Grundlagen und rechtliche Anknpfung

Das Gericht hat die Anklage allerdings mit einem zustzlichen rechtlichen Hinweis auf eine Mittterschaft von Herrn Somm zugelassen. Es sieht deswegen mglicherweise noch eine weitere klrungsbedrftige Frage, nachdem ich in meinem Rechtsgutachten vom 7. Juli 1997 das von der Anklageschrift geforderte "Filterkonzept" ad absurdum fhrte. Diesem Hinweis des Gerichts auf eine mgliche Mittterschaft drfte folgendes zugrundeliegen:

Neben der Funktion des Content-Providers (d.h. des Urhebers) und des Access-Providers (d.h. des Zugangsvermittlers) steht im Internet noch der Service-Provider, der die - fr ihn fremden - Daten des Content-Providers auf seinen Servern speichert. Dieser Service-Provider war im vorliegenden Verfahren nach den Feststellungen der Ermittlungsbeamten die amerikanische CompuServe Inc., die Muttergesellschaft der deutschen CompuServe GmbH. Fr das Gericht stellt sich deswegen wohl noch die - ber die Anklage hinausgehende - Frage, inwieweit Herr Somm eventuell fr mgliche Verste der Mitarbeiter der amerikanischen CompuServe Inc. verantwortlich ist. D.h.: Inwieweit haftet der Geschftsfhrer einer untergeordneten Tochtergesellschaft in Deutschland fr Verste, die mglicherweise in seiner Muttergesellschaft in den USA erfolgten

Ansatzpunkt fr die hierfr erforderliche Prfung von mglichen Straftaten in der Muttergesellschaft CompuServe Inc. ist dabei die Tatsache, da der Service-Provider - anders als der Access-Provider - Daten nicht nur durchleitet, sondern lngerfristig speichert und sie deswegen lschen kann, wenn er sie konkret kennt. Derartige Lschungen bei konkreter Kenntnis des Speicherortes rechtswidriger Inhalte (z.B. der jeweiligen News und der Newsgroup) sind fr den Service-Provider - anders als fr den Access-Provider - technisch meist kein Problem.

Pro-aktive Kontrollen zur verllichen Ermittlung dieser Inhalte sind allerdings auch fr den Service-Provider aufgrund der Massenhaftigkeit und der raschen nderung der Daten im Ergebnis kaum mglich: Ein effektiver Newsserver enthlt heute bis zu 45.000 Newsgroups mit mehreren Millionen von Einzelnachrichten. Bei greren deutschen Service-Providern werden pro Tag News bermittelt, die dem Inhalt von tglich 20.000 Strafverfahrensakten entsprechen. Die in den Newsgroups gespeicherten Inhalte ndern sich laufend. Eine heute berprfte und als rechtmig beurteilte Newsgroup kann bereits wenige Stunden nach der berprfung rechtswidrige Inhalte enthalten. Gesperrte Newsgroups werden - z.B. durch Ergnzung eines Buchstabens - geringfgig umbenannt oder gar getarnt und deren Inhalte sind somit wieder verfgbar. Sperrungen von Newsgroups haben im brigen auch deswegen nur eine begrenzte Wirksamkeit, weil der Nutzer fr einen Zugriff auf die gesperrte Newsgroup innerhalb seiner Newsreader-Software nur einen anderen frei zugnglichen Newsserver eintragen mu, der smtliche Newsgroups zum Abruf bereitstellt.

5 Abs. 2 des Teledienstegesetzes bestimmt deswegen, da Service-Provider fr die von ihnen gespeicherten fremden Daten nur bedingt und begrenzt verantwortlich sind. Zitat des Gesetzes: "Anbieter sind fr fremde Inhalte, die sie zur Nutzung bereithalten, nur verantwortlich, wenn sie von diesen Inhalte Kenntnis haben und es ihnen technisch mglich und zumutbar ist, deren Nutzung zu verhindern." Nach der ganz herrschenden Ansicht bedeutet "Kenntnis" aufgrund der eindeutigen Formulierung im Gesetz sicheres Wissen in der Form des dolus directus unter Ausschlu des dolus eventualis. Die Kenntnis der rechtswidrigen Inhalte mu dabei so konkret sein, da sie eine Datenlschung unschwer ermglicht.[10] Diese Begrenzung der Verantwortlichkeit von Service-Providern wird dabei verstndlich, wenn man die - vom Gesetzgeber bercksichtigte - Massenhaftigkeit des Datenaufkommens und die relative Unwirksamkeit von - selbst aufwendigen - Sperrmanahmen kennt.[11]

b) Fehlende strafrechtliche Verantwortlichkeit von Herrn Somm

Da 5 Abs. 2 des Teledienstegesetzes eine begrenzte Verantwortlichkeit des speichernden Service-Providers vorsieht, spricht das Gericht im Erffnungsbeschlu zutreffend noch die folgende Frage an, die ber das "chinesische Filterkonzept" der Anklage hinausgeht: Wurde mglicherweise durch einen Mitarbeiter der amerikanischen CompuServe Inc. eine Straftat nach deutschem Recht begangen, und ist es mglich, da Herr Somm Gehilfe oder Mittter dieser Straftat ist Diese Frage ist zwar im Ansatz berechtigt. Sie ist jedoch im vorliegenden Fall - aus mindestens vier unabhngig voneinander bestehenden Grnden - zu verneinen:

Verbot der Umgehung von 5 Abs. 3 TDG

Der erste Grund gegen eine Beihilfe oder Mittterschaft von Herrn Somm zu Straftaten von Mitarbeitern der amerikanischen CompuServe Inc. liegt in 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes, der den Access-Provider straflos stellt: Mit der Ttigkeit eines jeden Access-Providers ist es untrennbar verbunden, da er auch die Infrastruktur schafft, die im Einzelfall Straftaten von Service- und Content-Providern ermglicht. Wenn 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes gleichwohl den Access-Provider grundstzlich Straflosigkeit garantiert, so gilt dies auch fr die mit jedem Access-Providing notwendig verbundene Untersttzung von mglichen Straftaten des Service- und Content-Providers.[12] Es wre eine Umgehung der gesetzlich garantierten Straflosigkeit des Access-Providers, wenn seine Strafbarkeit - quasi durch eine Hintertr - mit einer Beihilfe- oder Mittterkonstruktion im Hinblick auf Handlungen des Service- und Content-Providers begrndet werden knnte. Die Garantie der straffreien Zugangsvermittlung in 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes ist hier die speziellere Norm, die nach ihrem klaren Wortlaut Straflosigkeit garantiert.[13]

Der Gesetzgeber hat auch die Grenzen dieses Vorrangs von 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes fr eine Beihilfe- oder Mittterlsung gesehen: Er hat dazu die extreme Fallkonstellation genannt, da - wrtliches Zitat - "ein bekannter in Deutschland wohnender Extremist als Zugangsprovider in bewutem und gewolltem Zusammenwirken mit Extremisten im Ausland ausschlielich den Zugang zu deren extremistischen Inhalten anbietet, deren Verbreitung in Deutschland mglicherweise strafbar ist."[14] Mit diesem Fallbeispiel haben die Firmen CompuServe GmbH und CompuServe Inc. nichts zu tun. Sie gingen nicht ber das sozial bliche Access-Providing hinaus und schafften kein erhhtes Strafbarkeitsrisiko. Im Gegenteil: Sie vermittelten grundstzlich rechtmige Inhalte und gehrten zu den Vorreitern einer Bekmpfung strafbarer Inhalte in Computernetzen.

Fehlende Beihilfe- oder Tterhandlung von Herrn Somm

Der zweite - nicht nur rechtlich, sondern vor allem auch moralisch entscheidende - Grund gegen eine Strafbarkeit von Herrn Somm als Gehilfe oder Mittter von Mitarbeitern der amerikanischen CompuServe Inc. liegt in folgendem: Sowohl eine Verurteilung wegen Beihilfe als auch wegen Mittterschaft wrde voraussetzen, da Herr Somm Straftaten im Bereich der CompuServe Inc. objektiv untersttzte. Dies war nicht der Fall: Auch bei mehrfachem Lesen der Anklageschrift findet sich kein einziger Satz, der konkrete Handlungen von Herrn Somm nennt, die nicht sozial ntzlich (und durch 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes ausdrcklich erlaubt!) waren, sondern die Verbreitung von Pornographie frderten. Im Gegenteil: Herr Somm bekmpfte strafbare Inhalte vehement. Er bat mich, dazu insbesondere die folgenden Tatsachen vorzutragen, die auch in meinem Rechtsgutachten dargelegt sind:[15] Eine zusammenfassende Betrachtung ergibt damit, da Herr Somm fr die deutschen Internet-Benutzer das Risiko einer Verbreitung pornographischer Inhalte nicht erhht, sondern durch zahlreiche Aktionen entscheidend vermindert hat. Herr Somm hat sich mit seinem Verhalten nicht nur sozial ntzlich verhalten, sondern - vor allem im Vergleich mit sonstigen Access-Providern - Straftaten sogar in besonderer Weise erschwert.

Eine Untersttzung mglicher Straftaten in den USA durch positives Tun kann Herrn Somm damit (ganz abgesehen von 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes) nicht vorgeworfen werden. Ein "Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit" - wie dies fr die Abgrenzung von Tun oder Unterlassen gefordert wird - liegt in seinem Tun ganz sicher nicht.

Als mglicher Vorwurf bliebe damit wieder allein eine Untersttzung mglicher fremder Straftaten durch das Unterlassen von Kontrollmanahmen. Dieser Vorwurf scheitert jedoch - wie erwhnt - nicht nur an technischen, sondern auch an rechtlichen Grnden: Weder das alte noch das neue Recht kennt eine derartige Pflicht der deutschen CompuServe GmbH, die Herr Somm gem 14 StGB htte erfllen mssen.[17]

Damit bleibt nichts, was hier angeklagt werden knnte. Denn auch eine Verurteilung wegen Beihilfe oder Mittterschaft entbindet nicht davon, ein vorwerfbares (und nicht nur sozial ntzliches) positives Tun oder aber - im Falle des Unterlassens - eine Garantenpflicht von Herrn Somm festzustellen.

Fehlende Vorsatztat im Bereich der amerikanischen CompuServe Inc.

Beihilfe oder Mittterschaft des Angeklagten zu Straftaten der Angestellten der amerikanischen CompuServe Inc. scheitern darber hinaus an einem dritten Grund. Sowohl die Beihilfe als auch die Mittterschaft wrden eine vorstzlich begangene Tat eines Angestellten der amerikanischen CompuServe Inc. voraussetzen, die dem Angeklagten zugerechnet werden kann. Aufgrund des - fr Service-Provider geltenden - 5 Abs. 2 des Teledienstegesetzes wre dabei der Eventualvorsatz eines amerikanischen Mitarbeiters nicht ausreichend, sondern Kenntnis (dolus directus[18]) im Sinne von 5 Abs. 2 des Teledienstegesetzes erforderlich. Diese Kenntnis mu sich auf den konkreten rechtswidrigen Inhalt beziehen, wobei sich unter anderem die Frage stellt, ob alleine die Kenntnis des Namens einer Newsgroup ausreichend im Sinne des 5 Abs. 2 des Teledienstegesetzes ist, da Newsgroups unter Umstnden hunderte von einzelnen Artikeln beinhalten. Diese Frage kann hier allerdings offen bleiben, da eine vorstzliche Tat von Angestellten der amerikanischen CompuServe Inc. mit Kenntnis der rechtswidrigen Inhalte weder objektiv noch subjektiv ersichtlich ist: Auf das Erfordernis einer vorstzlichen Straftatbegehung innerhalb der amerikanischen CompuServe Inc. knnte man bei einer "Zurechnung" fremder Straftaten nur dann verzichten, wenn Herr Somm amerikanische Straftter in der Form der "mittelbaren Tterschaft" wie willenlose Werkzeuge beherrscht und gesteuert htte. Dies scheidet hier jedoch eindeutig aus: Im vorliegenden Fall hat vielleicht die Muttergesellschaft CompuServe Inc. ihre deutsche Tochtergesellschaft CompuServe GmbH gesteuert; der Geschftsfhrer der Tochterfirma CompuServe GmbH beherrschte jedoch sicher nicht die Muttergesellschaft! Eine vom Gericht im Erffnungsbeschlu mglicherweise erwogene mittelbare Tterschaft von Herrn Somm scheidet deswegen aufgrund der gleichen Wertungsgesichtspunkte aus wie die von der Staatsanwaltschaft nachtrglich zur Rechtfertigung ihrer Anklage konstruierte Unternehmenseinheit von Mutter- und Tochtergesellschaft.[20] Beide Konstruktionen wrden gegen elementare Grundlagen des Wirtschaftsrechts und der Unternehmenspraxis verstoen: Denn die Muttergesellschaft kann die Tochtergesellschaft beherrschen, aber nicht umgekehrt!

Damit ist festzustellen: Es fehlt auch an einer vorstzlichen Straftat innerhalb der amerikanischen CompuServe Inc., die Herr Somm im Wege der Beihilfe oder der Mittterschaft zugerechnet werden knnte.[21]

Fehlender Vorsatz von Herrn Somm

Die Konstruktion einer Beihilfe oder Mittterschaft des Angeklagten zu Straftaten im Bereich der amerikanischen CompuServe Inc. scheitert aber nicht nur an der gesetzlichen Regelung von 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes, an der fehlenden Untersttzungshandlung des Angeklagten und an der fehlenden Vorsatztat von Angestellten der amerikanischen CompuServe Inc., sondern viertens auch am fehlenden Vorsatz des Angeklagten bezglich der Untersttzung einer entsprechenden Straftat in den USA: Der Angeklagte ging davon aus, da die amerikanische CompuServe Inc. die ihr gemeldeten strafbaren Inhalte sperrte und sorgfltig prfte. Er wute, da die amerikanische CompuServe Inc. mit der berprfung von Inhalten die angesehene amerikanische Firma Microsystems beauftragt hatte, welche an der Entwicklung der fhrenden Zugangskontroll-Architektur PICS beteiligt war. Mit dem Newsreader-Programm der CompuServe-Zugangssoftware konnte er selbst - anders als die bayerischen Polizeibeamten mit anderen News-Readern - Bilder in den Newsgroups berhaupt nicht prfen.

Begrenzte Reichweite des deutschen Verwaltungsrechts und des deutschen Strafrechts

Angesichts dieser klaren Rechtslage soll hier auf die Diskussion von weiteren Problemen verzichtet werden, die sich bei einer Beihilfe- oder Mittterschaftskonstruktion vor allem im Hinblick auf die Anklagevorwrfe II.2 und 3 stellen wrden. Ich deute deswegen nur noch kurz an:[22]
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III. Zusammenfassung und Beweisanregungen

1. Zusammenfassung

Damit ist zusammenfassend in tatschlicher und rechtlicher Hinsicht festzustellen: Auch eine fr die amerikanische CompuServe Inc. mglicherweise geltende Handlungspflicht nach 5 Abs. 2 des Teledienstegesetzes hat der Angeklagte nicht verletzt, da derartige Pflichten gem 14 StGB nur fr die Mitarbeiter der amerikanischen CompuServe Inc. galten. Der Angeklagte hatte auch keine rechtlichen Einwirkungsmglichkeiten auf die Handlungen der amerikanischen CompuServe Inc.

Zusammengefat: Hier wird die falsche Person verfolgt und fr Inhalte haftbar gemacht, fr die sie nicht verantwortlich ist!

2. Beweisanregungen

Der Angeklagte Felix Somm und die Verteidigung bitten das Gericht deswegen, im Wege der Beweisaufnahme zunchst festzustellen, da die in der Anklage bezeichneten Bilder und Texte niemals auf Servern der deutschen CompuServe GmbH gespeichert waren, die als bloer Zugangsvermittler gem 5 Abs. 3 TDG nicht fr fremde Inhalte verantwortlich ist. Wenn dies - z.B. durch das Gutachten des bayerischen Landeskriminalamtes - feststeht, sollte der Angeklagte bereits freigesprochen werden.

Darber hinaus knnte - ber die Anklageschrift hinausgehend - noch Beweis darber erhoben werden, da der Angeklagte keine Ttigkeit vornahm, die ber das - gem 5 Abs. 3 TDG ausdrcklich fr straflos erklrte - Access-Providing hinausging. Bisher ist keine derartige Handlung ersichtlich. Die in der Akte enthaltenen (und dort mehrfach abgelegten) Bilder sind keinerlei Beweis fr ein entsprechendes Verhalten des Angeklagten. Sie wurden von den bayerischen Polizeibeamten in ber einjhriger Sammelttigkeit aus den USA nach Deutschland abgerufen, wozu sogar das Newsreader-Programm der amerikanischen CompuServe Inc. ausgetauscht werden mute. Entsprechende Bilder sind in gleicher Weise ber andere Access-Provider beschaffbar, die von den Betreibern der Newsserver vllig unabhngig sind.

3. Bedeutung des Verfahrens

Der amerikanische Supreme-Court stellte in seiner viel beachteten Entscheidung des Jahres 1997 zur Verfassungswidrigkeit des amerikanischen "Communication Decency Acts" fest, da das Interesse an einem freien Meinungsaustausch in einer demokratischen Gesellschaft bei weitem die theoretischen Vorteile einer mglichen Zensur des Internet bersteigt. Aus diesem Grunde wurde die erstinstanzliche Entscheidung ber die Verfassungswidrigkeit der Strafbestimmung des amerikanischen Communication Decency Acts von 1996 besttigt. Diese beiden Entscheidungen haben weltweit Beachtung und Zustimmung gefunden.

Fr Deutschland wre ein hnliches Urteil wnschenswert. Es wre zu wnschen, da Deutschland fr die Entwicklung des Internet mehr beizutragen hat als die Strafverfolgung von Access-Providern, die fr die bermittelten Inhalte nicht verantwortlich sind. Das vorliegende Strafverfahren bietet dazu die Mglichkeit.

Mnchen, den 12. Mai 1998

(Prof. Dr. Ulrich Sieber)


Anlagen

1. Skizze zum technischen Zusammenwirken von Nutzer, Access-Provider, Service-Provider und Content-Provider im Internet

2. Gesetzestext und Auszug aus den Gesetzesmaterialien zu 5 TDG

Im Internet herausgegeben von Patrick Mayer,
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Funoten:

[1] Sieht man diese Untersttzungsmanahmen von Herrn Somm fr die Strafverfolgungsbehrden, kennt man darber hinaus die zahlreichen Initiativen der CompuServe Deutschland GmbH zur Verhinderung pornographischer Inhalte und hrt man Herrn Somms Einstellung zur Kinderpornographie, dann erscheint es befremdlich, wenn die Anklageschrift Herrn Somm im Hinblick auf diese Inhalte Gewinnstreben unterstellt.

[2]Die Straffreiheit von Herrn Somm im Hinblick auf eine Untersttzung dieser Urheber scheitert daher nicht nur an der ausdrcklichen Regelung von 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes, die das reine Access- und Network-Providing fr straflos erklrt (vgl. dazu nher unten II.3.b "Verbot der Umgehung von 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes"). Es fehlt fr diese Urheber - noch sehr viel deutlicher als im Hinblick auf die unten errterten Mitarbeiter der amerikanischen CompuServe Inc. - vor allem auch an einer - ber 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes hinausgehenden - Untersttzungshandlung von Herrn Somm sowie darber hinaus an einem entsprechenden Vorsatz von Herrn Somm.

[3] Das gleiche Ergebnis der Straflosigkeit des Access-Providing ergab sich auch schon nach altem Recht, weil dem Access-Provider nicht sein sozial-ntzliches positives Tun vorzuwerfen ist, sondern allenfalls das Unterlassen von Kontrollmanahmen, fr deren Vornahme ihn jedoch keine Garantenpflicht trifft. Vgl. dazu nher mein Gutachten fr das vorliegende Strafverfahren vom 4. Juli 1997, S. 52 ff., 57 ff.

[4] Vgl. dazu Sieber, JZ 1996, 429 ff., 494 ff. (499 ff.).

[5] Vgl. dazu Sieber, JZ 1996, 429 ff., 494 ff. (499 ff.).

[6] Vgl. dazu mein Gutachten fr das vorliegende Strafverfahren vom 4. Juli 1997, S. 100 f.

[7] Vgl. dazu nher Sieber, CR 1997, 581 ff., 653 ff. (658 ff.).

[8] Vgl. dazu Sieber, CR 1997, 581 ff., 653 ff. (658 ff.).

[9]Vgl. dazu nher 85 Abs. 3 TKG: "Den nach Absatz 2 Verpflichteten ist es untersagt, sich oder anderen ber das fr die geschftsmige Erbringung der Telekommunikationsdienste erforderliche Ma hinaus Kenntnis vom Inhalt oder den nheren Umstnden der Telekommunikation zu verschaffen. Sie drfen Kenntnisse ber Tatsachen, die dem Fernmeldegeheimnis unterliegen, nur fr den in Satz 1 genannten Zweck verwenden. Eine Verwendung dieser Kenntnisse fr andere Zwecke, insbesondere die Weitergabe an andere, ist nur zulssig, soweit dieses Gesetz oder eine andere gesetzliche Vorschrift dies vorsieht und sich dabei ausdrcklich auf Telekommmunikationsvorgnge bezieht. Die Anzeigepflicht nach 138 des Strafgesetzbuches hat Vorrang.

[10] Vgl. dazu nher Sieber, CR 1997, 581 ff., 653 ff. (667).

[11] Damit rechtswidrige Inhalte dennoch - und zwar mglichst weltweit - von den Servern heruntergenommen werden, bemht sich die Europische Kommission zur Zeit um ein internationales System von Kontaktpunkten, in welchem Polizeidienststellen und private Anzeigenerstatter den Service-Providern aktuell die notwendigen Kenntnisse fr die Lschung rechtswidriger Daten international bermitteln. Die Ermittlungsbehrden sollen ihre Erkenntnisse dabei nicht - wie im vorliegenden Fall - anderthalb Jahre in einer Akte sammeln, sondern mit den Service-Providern zum Zwecke der Lschung rechtswidriger Inhalte zusammenarbeiten. Wenn wir - neben der besseren Verfolgbarkeit der Urheber - die implizite Lschungsverpflichtung von 5 Abs. 2 TDG fr die Service-Provider international durchsetzen, wenn wir diese internationalen Kontaktpunkte schaffen und wenn wir - auch in codes of contact - zu einer Zusammenarbeit von Ermittlungsbehrden und Informationsindustrie kommen, dann kann die Bekmpfung der Kinderpornographie in internationalen Datennetzen wirksam werden.

[12] Dabei darf es grundstzlich auch keine Rolle spielen, da zwischen Access- und Service-Provider vertragliche Beziehungen bestehen, denn nach dem Wortlaut von 3,5 des Teledienstegesetzes bzw. 3,5 des Mediendienstestaatvertrags kann sogar eine einzige natrliche Person alle Funktionen wahrnehmen, also gleichzeitig Content-, Service- und Access-Provider sein. 5 des Teldienstegesetzes knpft damit nicht an eine konkrete Person an, sondern an die jeweilig bestimmte Funktion innerhalb eines offenen Computernetzes.

[13] Im Hinblick auf eine Beihilfe oder Mittterschaft zu Straftaten der Content-Provider ist dieses Argument noch eindeutiger, da insoweit ebenfalls nur das von 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes erlaubte Access-Providing vorlag.

[14] Vgl. BT-Drucks. 13/7385 vom 9.4.1997 zu Nr. 5, S. 70 sowie die zugrundeliegende Fragestellung BR-Drucks. 966/96 vom 21.2.1997, S. 5 (Nr. 5). Nher dazu meine Anmerkungen zur Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Mnchen I vom 30.10.1997, S. 9.

[15] Vgl. zum folgenden nher mein Rechtsgutachten in dem vorliegenden Strafverfahren vom 4. Juli 1997, S. 35 ff.

[16] Mit der Software "Cyberpatrol" der Gesellschaft Microsystems knnen CompuServe-Mitglieder - vor allem Eltern - auf den heimischen Computern Zugriffe ihrer Kinder auf bestimmte Inhalte sperren; "Cyberpatrol" wurde in die deutsche Sprache bersetzt und an alle deutschen CompuServe-Mitglieder kostenlos ausgeliefert. Im proprietren Dienst entwickelte die Firma CompuServe Inc. - mit Untersttzung durch den Angeklagten - die eigene proprietre Kontrollsoftware fr Eltern, "Parental Controls"; auch Parental Controls wurde ins Deutsche bersetzt und konnte von allen CompuServe-Benutzern eingesetzt werden. Auch bei der Entwicklung der Kontrollmechanismen von PICS (Platform for Internet Content Selection), den Grundlagen fr ein Rating-System, agierte der Angeklagte in vorderster Front.

[17] Eventuelle Pflichten der amerikanischen CompuServe Inc. sind dagegen - wie 14 StGB eindeutig sagt - keine Pflichten des Angeklagten. 14 StGB stellt hinsichtlich der berwlzung von Pflichten eines Unternehmens auf die Unternehmensmitarbeiter auch eine eindeutige und nicht erweiterungsfhige Rechtsgrundlage dar.

[18]Vgl. dazu oben 3.a.

[19] Aus diesem Grunde reicht es auch nicht aus, die geladenen Sachverstndigen zu befragen, ob die Mitarbeiter der amerikanischen CompuServe Inc. die Newsgroups auf ihren Servern htten sperren knnen. Eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Beihilfe oder Mittterschaft setzt vielmehr voraus, da die Mitarbeiter der CompuServe Inc. kinderpornographische Inhalte im Sinne von 5 Abs. 2 des Teledienstegesetzes vorstzlich nicht sperrten. Dies ist nicht ersichtlich. Die drftige Ermittlungsakte lt insoweit berhaupt keinen Schlu zu, da sie sich auf das Sammeln von Bildern beschrnkte, wobei nicht einmal bemerkt wurde, da die gleichen Bilder mehrfach abgelegt wurden. So kann vielleicht die - offenkundige - Tatsache vereinzelter Pornographie im Internet nachgewiesen werden, aber nicht eine Verantwortlichkeit des Angeklagten Felix Somm oder auch nur der amerikanischen CompuServe Inc.!

[20]Vgl. dazu meine Anmerkungen zur Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Mnchen I vom 30.10.1997, S. 6 ff.

[21] Im brigen ist darauf hinzuweisen, da der Service-Provider nach amerikanischem Recht objektiv noch sehr viel weitgehender privilegiert ist als nach deutschem Recht. Dies braucht wegen des fehlenden Vorsatznachweises hier jedoch nicht vertieft zu werden. Vgl. dazu nher Section 230 Communications Decency Act von 1996; United States District Court for the District of Columbia, Blumenthal vs. Drudge and AOL (, zuletzt abgerufen am 30.04.1998); vgl. auch United States Court of Appeals for the fourth Circuit, Zeran vs. AOL (Urteil vom 12.11.1997, , zuletzt abgerufen am 30.04.1998).

[22] Vgl. dazu nher mein Rechtsgutachten in dem vorliegenden Strafverfahren vom 04.07.1997, S. 108 ff.

Im Internet herausgegeben von Patrick Mayer,
Informationen zu Artikel 5 Grundgesetz

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