von Univ.-Prof. Dr. Christian Koenig LL.M. und
wiss. Mitarbeiter Sascha Loetz *
Zentrum fr Europische Integrationsforschung
Bonn
Stand: 1999
Zweitverffentlichung eines in Computer und Recht 7/1999, 438, erschienenen Aufsatzes mit freundlicher Genehmigung der
Computer und Recht
Die Verfasser gehen der Frage nach, ob behrdliche Sperrungsanordnungen gegen Network und AccessProvider eine Rechtsgrundlage in 5Abs.4 Teledienstegesetz (TDG) oder 18Abs.3 Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV) finden. Darber hinaus soll ein Beitrag zur Einordnung der Network und Access-Provider in das geltende Kommunikationsrecht geleistet werden. Als Ansatzpunkt dient die Unterscheidung zwischen dem bertragungstechnischen Recht des TKG und dem inhaltsbezogenen Recht des TDG und des MDStV. Die Ausfhrungen werden durch einen Ausblick auf die gemeinschaftsrechtlichen Regulierungsvorgaben abgerundet. Das vielbeachtete Strafurteil gegen den frheren Geschftsfhrer der deutschen CompuServe-Niederlassung1 war Anregung zu dieser Abhandlung, bildet aber nicht ihren Gegenstand.
I. Verhltnis von TDG und TKG
Das Teledienstegesetz2 des Bundes findet laut 2Abs.4Nr.1TDG keine Anwendung auf Telekommunikationsdienstleistungen und das geschftsmige Erbringen von Telekommunikationsdiensten nach 3 des Telekommunikationsgesetzes (TKG).3 Telekommunikationsdienstleistungen sind in 3Nr.18TKG legaldefiniert als das gewerbliche Angebot von Telekommunikation einschlielich des Angebots von bertragungswegen fr Dritte. Telekommunikation ist der technische Vorgang des Aussendens, bermittelns und Empfangens von Nachrichten jeglicher Art in der Form von Zeichen, Sprache, Bildern oder Tnen mittels Telekommunikationsanlagen (3Nr.16TKG).
Durch diese weiten Begriffsbestimmungen des TKG kann die Ausschluregel des 2Abs.4Nr.1TDG miverstndlich wirken, denn die Teledienstedefinition des 2Abs.1TDG macht die bermittlung mittels Telekommunikation zum konstitutiven Bestandteil eines Teledienstes. Eine allzu wrtliche Auslegung knnte dazu verleiten, den Anwendungsbereich des TDG mit einem Hinweis auf die stets vorhandenen telekommunikativen Grundlagen eines Teledienstes zu negieren. Offensichtlich war dem Gesetzgeber aber an einer mglichst eindeutigen Abgrenzung der Anwendungsbereiche der Gesetze gelegen. Die Tatsache, da eine solche Regelung fr notwendig gehalten wurde, verdeutlicht, da die Unterscheidung im Einzelfall Schwierigkeiten aufwirft. Dem 2Abs.4Nr.1TDG lt sich aber der grundlegende gesetzgeberische Regulierungsansatz entnehmen. Die technische bertragungsplattform (Telekommunikation) und der bertragungsinhalt (Teledienst) sollen getrennten Regulierungsregimen unterworfen werden. Vor dem Hintergrund der Konvergenz zwischen Telekommunikation, Neuen Diensten und Rundfunk ist dies keine Selbstverstndlichkeit mehr.4
Die Frage der Abgrenzung zwischen TDG und MDStV einerseits und dem TKG andererseits verliert ihre akademische Natur, wenn die Rechtmigkeit von Sperrungsanordnungen nach 5TDG bzw. 5i.V.m.18Abs.3MDStV zu berprfen ist. Als Adressaten solcher ordnungsbehrdlichen Verfgungen kommen Network- und Access-Provider in Frage. Deren Ttigkeit weist im Vergleich der Rollen aller an einem Online-Zugriff Beteiligten5 eine besondere Nhe zur Telekommunikationsdienstleistung auf.
II. Network-Provider
1. Rechtliche Einordnung
Der Netzanbieter stellt bertragungswege oder -kapazitten zur Verfgung. Dieses kann zunchst Telekommunikationsinfrastruktur im herkmmlichen Sinne sein, wie ein Public Switched Telephone Network (PSTN). Darber hinaus kann es sich aber auch um eine fr Datennetze spezifische Infrastruktur handeln, wie Rechnersysteme, die ber Wahl oder Standleitungen miteinander verbunden sind. Dieses Angebot stellt als das gewerbliche Angebot von Telekommunikation einschlielich des Angebots von bertragungswegen fr Dritte (Nr.18) jedenfalls eine Telekommunikationsdienstleistung im Sinne des 3Nr.18 i.V.m. 3Nr.16TKG dar.6 Angeboten wird der technische Vorgang des Aussendens, bermittelns und Empfangens von Nachrichten jeglicher Art (Nr.16). Der Anwendungsbereich des TKG ist durch die weite Definition des 3Nr.16TKG eben nicht auf herkmmliche Telefoniedienste im Sinne von POTS (plain old telephone service) oder ISDN (integrated services digital network) beschrnkt. Gemessen an der Teledienstedefinition des 2Abs.1TDG erfllt die Ttigkeit des Network-Providers die Merkmale einer bermittlung mittels Telekommunikation. Einen elektronischen Informations- oder Kommunikationsdienst i.S.d. 2Abs.1TDG, der das Vorliegen eines Teledienstes begrnden knnte, betreibt der Network-Provider nicht. Er bietet nur die telekommunikativen Grundlagen eines Teledienstes an.
Diese Zuordnung des Netzanbieters zum TKG gem. 2Abs.4Nr.1TDG, also dem Recht der technischen Plattformen, wird durch eine Betrachtung aus der Perspektive des Nutzers eines Teledienstes besttigt: Die Dienstleistung des Network-Providers bleibt aus seiner Sicht vollkommen transparent. Wer und in welcher Form fr die Signalbertragung vom Netz zum Einwahlpunkt des Online-Anbieters sorgt, ist fr den Nutzer nicht erkennbar. Der Network-Provider bernimmt lediglich die Weiterleitung beliebiger Informationen auf der Ebene der Datenbertragung.
Werden vom Access-Provider oder vom Nutzer normale Telefonverbindungen des Public Switched Telephone Network (PSTN) genutzt, so htte die Anwendung des TDG auf die Ttigkeit des Network-Providers die seltsame Konsequenz, da dieser ohne sein Zutun und Wissen einen Teledienst anbieten wrde. Eine Inhaltsverantwortlichkeit (5TDG) fr einen solchen Telekommunikationsdienstleistungsanbieter ist offensichtlich abwegig. Den Netzbetreiber als Zugangsvermittler i.S.v. 3Nr.1TDG zu verstehen verbietet sich fr den Hauptanwendungsfall des Internets auch deshalb, weil dieses nur als Summe von Einzelnetzen verstanden werden kann.7 Wre schon der Network-Provider Zugangsanbieter, so bliebe nichts, zu dem der Zugang vermittelt werden knnte. Das Angebot der Durchleitung von Daten zu beliebigen Endpunkten innerhalb oder auerhalb des eigenen Netzes ist daher als Telekommunikation und nicht als Kommunikationsdienst im Sinne des TDG zu verstehen.
Dieser Einordnung des Network-Providers als Telekommunikationsdiensteanbieter steht auch nicht entgegen, da seine Dienstleistung oftmals auf Telekommunikationsdienstleistungen Dritter beruht (z.B. gemietete Standleitungen). Telekommunikationsdienstleistungen i.S.d. 3Nr.18TKG erbringt nicht nur der Netzbetreiber, sondern auch derjenige, der sich eines Telekommunikationsnetzes zur Erbringung seiner Dienstleistung bedient.8 Der Anwendungsausschlu des 2Abs.4Nr.1 TDG erfat damit den Network-Provider.9 Die Ttigkeit des Network-Providers ist ausschlielich dem Telekommunikationsrecht zuzuordnen. Die Regelung des 2Abs.4Nr.1TDG fhrt dazu, da eine Inanspruchnahme des Netzanbieters im Rahmen des 5TDG nicht mglich ist.
2. Entfallen des Verantwortlichkeitsprivilegs
Dem Network-Provider kommt damit aber auch nicht die privilegierende Wirkung des 5TDG zugute.10 Das TKG selbst enthlt keine Vorschriften ber die Verantwortlichkeit des Telekommunikationsanbieters fr den Inhalt der Telekommunikation. Dieser Befund berrascht auch nicht. Die staatliche Inanspruchnahme fr Inhalte in der Telekommunikation setzt von jeher beim Sender oder Empfnger an, nicht beim Betreiber des bertragungsmediums. Die Vorschriften der 88ff.TKG, insbesondere 89,90TKG, ermglichen einen weitreichenden staatlichen Zugriff auf die Kommunikationsinhalte, ohne eine Haftung des Telekommunikationsdienstleistungsanbieters fr bertragungsinhalte vorzusehen. Hieraus folgt, da die Inanspruchnahme des Telekommunikationsdienstleisters fr rechtswidrige Kommunikationsinhalte Dritter11 aus allgemeinen Vorschriften (etwa der ordnungsbehrdlichen Generalklausel) ausgeschlossen ist.12 Der Gesetzgeber ist mit den 88ff.TKG abschlieend ttig geworden. Eine darber hinaus gehende Inanspruchnahme des Network-Providers ist aufgrund der Regelungssystematik des TDG auch nicht notwendig. Wird aufgrund einer technischen bertragungsdienstleistung ein Informations- und Kommunikationsdienst angeboten, so liegt ein Teledienst (oder Mediendienst) vor, dessen Anbieter nach Magabe des 5TDG (bzw. 5 MDStV) in Anspruch genommen werden kann.
III. Access-Provider
1. Abgrenzung zum Network-Provider
Der Access-Provider bietet im Gegensatz zum Netzanbieter nicht nur die Nutzung von bertragungskapazitten an. Spezifisch fr den Access-Provider ist das Angebot einer bestimmten Form der Datenbertragung,13 die den Zugang zu einem Rechner(-netz) gestattet. Neben der Zugangsmglichkeit im Regelfall durch Einwahl ber das ffentlich vermittelte Telefonnetz - stellt der Internet-Access-Provider die zur Benutzung des Netzes erforderlichen Protokollfunktionen (IP-Adresse, Name-Service, Routing) zur Verfgung. Der Access-Provider bietet demnach alle Funktionen an, die notwendig sind, um den Rechner des Nutzers Teil des Kommunikationsnetzes werden zu lassen.
2. Einordnung in das TDG
Die Einordnung dieser Dienstleistung in die Systematik des TDG bringt Schwierigkeiten mit sich. Eine direkte Subsumtion unter die abstrakte Teledienstedefinition des 2Abs.1TDG wrde voraussetzen, da der Access-Provider einen Informations- und Kommunikationsdienst fr die individuelle Nutzung anbietet. Erst die Dienstleistung des Access-Providers fhrt aber dazu, da solche Dienste genutzt werden knnen. Er bietet einen Teil der technisch-telekommunikativen Grundlage, die einen Informations- und Kommunikationsdienst zur individuellen Nutzung erst ermglicht.14 Die Nutzung von kombinierbaren Daten wie Zeichen, Bilder oder Tne i.S.d. 2Abs.1TDG bietet der Access-Provider ebenfalls nicht, vielmehr ermglicht er es, da der Nutzer auf solche von Dritten bereitgestellten Daten zugreifen kann. Innerhalb der Teledienstedefinition des 2Abs.1TDG knnte die Ttigkeit des Access-Providers nur einem sehr weit ausgelegten Merkmal Kommunikationsdienst zugeordnet werden. Wrde man so verfahren, wre die Unterscheidung zum Merkmal bermittlung mittels Telekommunikation hinfllig und die Abgrenzung zum TKG ber 2Abs.4Nr.1TDG unmglich. Ein anderes Gesetzesverstndnis legt auch das Teledienstebeispiel des 2Abs.2Nr.3TDG (Angebote zur Nutzung des Internets oder weiterer Netze) nahe. Nach dem Willen des Gesetzgebers bezieht sich diese Vorschrift auf Suchmaschinen oder Navigationshilfen.15 Der Unterschied im Wortlaut von 2Abs.2Nr.3TDG (Angebot zur Nutzung) und den 3Nr.1,5Abs.3TDG (Zugang zur Nutzung) besttigt diese Auslegung. Die Dienstleistung des Access-Providers lt sich nicht unter 2Abs.1TDG subsumieren und findet sich nicht in den Beispielen des 2Abs.2TDG; eine Teledienstekategorie Access-Provision existiert nicht.
Ein Vergleich von 3Nr.1 und 5Abs.3TDG ergibt aber, da auch ein Access-Provider, als Zugangsvermittler, dem TDG und insbesondere der Vorschrift des 5TDG unterfallen kann. So erwhnt 3Nr.1TDG als Diensteanbieter auch solche, die den Zugang zur Nutzung vermitteln. Diese Formulierung des 3Nr.1TDG besttigt abermals, da die Vermittlung des Zugangs zu Telediensten selbst keinen Teledienst i.S.d. 2Abs.1TDG darstellt, aber ber die Definition des Diensteanbieters in den Anwendungsbereich des Gesetzes miteinbezogen wird. Andernfalls wre die 2.Alternative des 3Nr.1TDG berflssig. Als bertragungstechnisches Bindeglied zwischen Content-Provider und Nutzer fungiert der Access-Provider als Zugangsvermittler. Der Begriff des Zugangsvermittlers i.S.d. 3Nr.1,5Abs.3TDG erfat ber solche Zugangsvermittlung auf bertragungsebene hinaus auch Formen logischer Verweise auf Applikationsebene,16 wie z.B. durch Hyperlinks,17 die bei Service- oder Content-Providern zu finden sind. Die Ttigkeit des Access-Providing unterfllt demnach der Zugangsvermittlung i.S.d. 3Nr.1,5Abs.3TDG, ohne mit dem Begriff deckungsgleich zu sein.18
3. Sperrverpflichtungen nach 5Abs.4TDG
Eine Inanspruchnahme des Access-Providers auf Sperrung knnte im Rahmen des 5Abs.4TDG mglich sein. Ein Diensteanbieter kann aufgrund dieser Vorschrift und bei Vorliegen der Voraussetzungen einer ordnungsrechtlichen Ermchtigungsnorm als Strer in Anspruch genommen werden. Mit Zugang der ordnungsbehrdlichen Sperrungsverfgung wre auch stets die Kenntnis der rechtswidrigen Inhalte hergestellt.19 Als Diensteanbieter i.S.d. 3Nr.1, 2.Alt.TDG knnte auch ein Access-Provider Adressat einer Verfgung nach 5Abs.4TDG sein. Im Rahmen einer grammatikalischen Auslegung der Norm und im alltglichen Sprachverstndnis knnte auch von diesem die Sperrung der Nutzung verlangt werden. Eine solche grammatikalische Interpretation ist sowohl Ausgangspunkt als auch Grenze jeder Auslegung.20 Dabei geht dem allgemeinen Sprachgebrauch allerdings der besondere juristische Sprachgebrauch vor. Aus dem besonderen Sprachgebrauch des jeweils konkret einschlgigen Gesetzes (hier des TDG) lt sich der Wortsinn am genauesten ermitteln.
Der Verweis des 5Abs.4TDG auf Diensteanbieter knnte zunchst auch Zugangsvermittler i.S.d. 3Nr.1,5Abs.3TDG - und damit auch den Access-Provider - erfassen.21 Allerdings ist 5Abs.4TDG auf die Anordnung der Sperrung der Nutzung gerichtet. Eine sachgerechte Formulierung fr Zugangsvermittler mte dagegen auf die Sperrung des Zugangs zur Nutzung abstellen. Die entsprechende Formulierung des 5Abs.3S.1TDG legt eine solche sprachliche Differenzierung durchaus nahe. Und gerade diese Norm sorgt fr eine Freistellung von einer Verantwortung fr fremde Inhalte. Auch ein Vergleich mit 5Abs.2TDG sttzt dieses Normverstndnis. Die dortige Formulierung zur Nutzung bereithalten betrifft Service-Provider, die fremde Inhalte im eigenen Einflubereich (Server bzw. Subnetz) vorhalten und unmittelbar die Nutzung kontrollieren knnen. Bei einem Access-Provider ist dieses gerade nicht der Fall. Ihm fehlt nicht nur die Kontrolle ber das fremde Angebot, sondern auch die effiziente Mglichkeit, den Datenstrom vom und zum Nutzer zu berwachen und gegebenenfalls zu unterbinden.22 Bei einer solchen Auslegung wre 5Abs.4TDG auf Access-Provider nicht anwendbar.23 Den Gesetzgebungsmaterialien ist zu dieser Frage lediglich zu entnehmen, da sich 5Abs.4TDG auch auf die Flle des 5Abs.3S.2TDG erstrecken soll.24 In dieser Konstellation liegt wiederum eine Speicherung von fremden Inhalten auf Servern des Diensteanbieters vor, so da fr den reinen Access-Provider hieraus keine Schlsse gezogen werden knnen. Der Gesetzeswortlaut bleibt mehrdeutig.
Bleiben Einzelbestimmungen bei isolierter Betrachtung - wie vorliegend - unvollstndig oder miverstndlich, so mssen sie aufgrund der teleologisch-systematischen Methode erst zu einer vollstndigen Regelung zusammengeschlossen werden.25 Erst die Ermittlung eines gemeinsamen Telos nach Magabe der Gesamtregelung des TDG erlaubt es, das systematische Auslegungsgebot zur Wahrung der sachlichen bereinstimmung einzelner Vorschriften26 zu verwirklichen. Bei der teleologisch-systematischen Ermittlung des Sinnzusammenhangs gilt mithin die Vermutung einer sachlichen Zielbereinstimmung,27 die anhand des Normzwecks zu bestimmen ist.
5Abs.3S.1TDG schliet eine Verantwortlichkeit des Zugangsvermittlers zunchst aus, soweit er fremde Inhalte lediglich vermittelt. Die Datenbermittlung zwischen Content-Provider und Nutzer durch den Access-Provider wird von dieser Gesetzesbestimmung erfat. Grundstzlich ist der Access-Provider fr den bertragungsinhalt also nicht verantwortlich. Anders dagegen 5Abs.4TDG, der auch fr fremde Inhalte und bei Kenntnis derselben eine Sperrungsverpflichtung aufgrund der allgemeinen Gesetze im Rahmen des (objektiv)28 technisch Mglichen und Zumutbaren normiert. 5Abs.4TDG knpft dabei nicht an die Verantwortlichkeit29 an, sondern statuiert eine von den Abstzen 1 bis 3 losgelste Sperrungsverpflichtung.30 Dennoch betreffen beide Normen die Inanspruchnahme fr fremde Inhalte, so da zwischen den Abstzen 3 und 4 des 5TDG ein Regel-Ausnahme-Verhltnis vorliegt. Ob sich dieses Verhltnis bei einer Inanspruchnahme von Access-Providern in der Praxis widerspiegeln wrde, erscheint fraglich.
Inkriminierte Inhalte werden sich regelmig auf Servern befinden, die nicht in Deutschland lokalisiert sind.31 In diesen Fllen kann nicht der auslndische Content-Provider als originrer Verursacher der Strung von deutschen Behrden in Anspruch genommen werden. Fr den Access-Provider besteht so die Gefahr, in einer Vielzahl von Fllen fr das Verhalten Dritter in Anspruch genommen zu werden. Fr die Hauptanwendungsflle ordnungsrechtlicher Sperrungsanordnungen wrde - bei grozgiger Auslegung der Merkmale technisch mglich und zumutbar32 - die Ausnahme zur Regel. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Diskussion um rechtswidrige Inhalte in Datennetzen zeichnet sich eine solche extensive Auslegung des 5TDG ab.33 Der Fall des frheren Geschftsfhrers der deutschen Compuserve-Niederlassung34 besttigt eindrucksvoll Vorbehalte, die schon im Gesetzgebungsverfahren35 gegen die Systematik des 5TDG vorgebracht wurden. Dort wurde noch die ersatzlose Streichung des 5Abs.4TDG gefordert.36 Die damaligen Bedenken, da 5Abs.4TDG den gesetzlichen Regelfall des Absatz 3 konterkarieren knnte,37 scheinen sich nunmehr zu besttigen, wenn die Norm als Einfallstor fr weitreichende Sperrungsverpflichtungen mibraucht wird.38
Diese Entwicklung ist gerade im Hinblick auf die Ausschluregel des 2Abs.4Nr.1TDG bedenklich. Wie der Network-Provider bietet der Access-Provider eine technische Plattform zur Weitergabe von Informationen, ohne Einflu auf die bermittelten Inhalte zu haben. Auch seine Ttigkeit besteht darin, Nachrichten auszusenden, zu bermitteln und zu empfangen (3Nr.16TKG). Was der Access-Provider darber hinaus an Funktionen anbietet, um den Rechner des Nutzers in ein Datennetz einzubinden, entspricht der Bereitstellung eines Anschlusses und der Vergabe einer Rufnummer in einem herkmmlichen Telefonnetz, schafft also nur die Voraussetzungen, um Telekommunikation in dieser Form zu ermglichen. Die eigentliche Funktionalitt von Online-Netzen, welche eine Nutzung von kombinierbaren Daten wie Zeichen, Bilder oder Tne i.S.d. 2Abs.1TDG gestattet, wird erst durch die Eigenschaften der angeschlossenen Endgerte gewhrleistet und nicht durch den Access-Provider. Diese fehlenden Einflumglichkeiten des Access-Providers auf den bertragungsinhalt haben sich auch im Normtext niedergeschlagen, der die Anwendbarkeit des TDG mangels des Vorliegens der sonstigen Voraussetzungen eines Teledienstes (2Abs.1TDG) im 3Nr.1,2.Alt.TDG explizit anordnet. Die Dienstleistung des Access-Providers ist demnach stets mehr Telekommunikationsdienstleistung als Teledienst. Grenzt man die Anwendungsbereiche des TDG und TKG gem. 2Abs.4Nr.1TDG, der gesetzgeberischen Intention folgend, funktionsbezogen von einander ab, so unterfallen dem TDG nur die inhaltlichen und nutzungsrelevanten Komponenten der bereitgestellten Angebote, whrend der technische Vorgang der Telekommunikation nach 3Nr.16TKG unberhrt bleibt.39 Eigene Inhalte stellt der Access-Provider nicht zur Verfgung und die bertragung fremder Inhalte gehrt sachnotwendig zur Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen. Fr die Frage der Anwendbarkeit des 5Abs.4TDG auf Zugangsvermittler und insbesondere Access-Provider kann hieraus nur eine restriktive Auslegung folgen,40 welche die Telekommunikationsdienstleistung unangetastet lt. Eine systematisch-teleologische Auslegung des 5TDG fhrt damit zu dem Ergebnis, da den Access-Provider - wie den Network-Provider - keine Sperrverpflichtung nach 5Abs.4TDG trifft.
Ein solcher Ausschlu der ordnungsrechtlichen Inanspruchnahme des Access-Providers als Strer knnte in der aktuellen Diskussion um pdophile, gewaltverherrlichende und extremistische Inhalte in Datennetzen allerdings auf Widerstand stoen. Bei Betrachtung der staatlichen Handlungsmglichkeiten erscheint dies dennoch sachgerecht. Rechtswidrig ist zunchst der bertragungsinhalt und nicht die bermittlung.41 Ein Ziel des Gesetzgebers bei Erla des IuKDG war die Ermglichung des freien Zugangs zu Kommunikationsnetzen durch Anbieter (vgl. auch 4TDG) und Nutzer.42 Dieser Ansatz wrde durch Sperrungsverpflichtungen gegenber Access-Providern ins Gegenteil verkehrt. Die staatliche Ohnmacht gegenber Rechtsversten auerhalb des eigenen Hoheitsgebiets wrde so zu einer Abwlzung der Verantwortlichkeit auf den Access-Provider fhren.43 Die im Allgemeininteresse liegende Ttigkeit44 des Access-Providers, die zum Aufbau einer modernen Kommunikationsinfrastruktur beitrgt, wrde durch eine Inanspruchnahme fr das Verhalten Dritter entwertet.
Eine umfassende Kontrolle der Inhalte in einem weltumspannenden Datennetz wie dem Internet wrde ohnehin jede staatliche Kontrollinstanz berfordern. Eine Freistellung des Access-Providers von jeglicher Verantwortung fr die auf Nutzerveranlassung hin bertragenen Daten trgt demgegenber dazu bei, rechtswidrige Inhalte beim Verursacher zu bekmpfen.45 Bei inkriminierten Inhalten, deren Angebot eine Verwertungshandlung zu vorherigen rechtswidrigen Taten darstellt (z.B. Verbreitung von Raubkopien oder pdophiler Inhalte), kommt eine Sperrung beim Access-Provider auch eher einer Verdrngung der Tatsachen gleich: was der Nutzer nicht abrufen kann, existiert nicht. Ein weltweiter freier Zugang zu Datennetzen wrde dagegen verstrkte Bemhungen um die Verhinderung der Einspeisung rechtswidriger Inhalte frdern und die Selbstregulierung durch die Anbieter strken.46 Nur ein solches Ansetzen beim Content-Provider wrde sicherstellen, da eine gesetzliche Regelung im Einklang mit den Grundrechten der Nutzer aus Art.5Abs.1S.1GG steht.47 Noch engere Grenzen sind einer Einschrnkung der Freiheit der Wissenschaft und Forschung (Art.5Abs.3GG) durch die Sperrung von Inhalten gesetzt.48
Die Begrenzung der Verantwortlichkeit von Access-Providern fr bertragungsinhalte wrde schlielich nicht einen gnzlichen Ausschlu staatlicher Eingriffsbefugnisse bewirken. Ausgeschlossen wrde, da der Access-Provider als Strer im Sinne des Polizei- und Ordnungsrechts und des Deliktsrechts49 in Anspruch genommen werden kann. Die Vorschriften ber die Inanspruchnahme von Nichtstrern blieben unberhrt. Bei einem drohenden Schaden fr hochrangige Rechtsgter, der nur durch eine Inanspruchnahme des Access-Providers abgewendet werden knnte, stnde den Behrden dieser Weg noch offen. Die Eingriffsvoraussetzungen50 sind bei Manahmen gegen Nicht-Polizeipflichtige allerdings strenger. Darber hinaus kann eine Ausgleichsanspruch fr den Nichtstrer bestehen.
Die berlegungen zeigen, da auch die berwiegenden auergesetzlichen Grnde gegen die Mglichkeit einer Sperrungsanordnung gegen Access-Provider sprechen. Seine Dienstleistung ist ihrer Natur nach dem Telekommunikationsrecht zuzurechnen und sollte gem. 2Abs.4Nr.1TDG auch ausschlielich dem TKG unterfallen. Die laufende Evaluation des IuKDG und des MDStV wrde auch die Mglichkeit bieten, den Gesetzestext zu berdenken und fr Access-Provider klarer zu formulieren.
4. Sperrungsverpflichtung nach 18Abs.3MDStV
Im Zusammenhang mit der Verantwortlichkeit von Access-Providern wird ber die Regelung des 5Abs.4TDG hinaus geltend gemacht, da Sperrungsanordnungen auch auf 18Abs.3MDStV gesttzt werden knnen.51 18Abs.3MDStV normiert ausdrcklich eine - wenn auch subsidire - Sperrverpflichtung fr Zugangsvermittler. Ebenso wie 3Nr.1TDG erfat 3Nr.1MDStV mit der Definition des Anbieters solche, die (...) den Zugang zur Nutzung vermitteln. Geht man wie oben ausgefhrt davon aus, da eine Sperrungsverpflichtung fr Access-Provider nach dem TDG nicht besteht, so knnte dies bedeuten, da eine Sperrungsverpflichtung nur fr Mediendienste auf Grundlage des 18Abs.3MDStV mglich wre. Die Polizeipflichtigkeit des Access-Providers wre dann abhngig von der Einordnung des durch den Nutzer abgerufenen Inhalts als Medien- oder Teledienst.
Eine solche Anwendung des MDStV auf Access-Provider findet aber keine Sttze im Gesetz. Als rein wirtschaftlicher Vorgang ohne Bezug zum bermittelten Inhalt fllt die Ttigkeit des Access-Providers in den bundesrechtlichen Regelungsbereich. Gesetzeszweck des TDG (1) ist es, einheitliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen fr die Neuen Dienste zu schaffen. Entsprechend der grundgesetzlichen Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen (Art.74Abs.1Nr.11, Art.73Nr.9GG) folgt daraus, da die wirtschaftlich-gewerbliche Seite der Bettigung auf dem Gebiet der Neuen Dienste alleinig durch das TDG geregelt wird. Eine Lnderkompetenz zur Normsetzung auf diesem Gebiet besteht nicht.52 Der MDStV regelt fr Abrufdienste, da die reine bermittlung von Daten (2Abs.2Nr.4MDStV) nicht in den Anwendungsbereich des Staatsvertrags fllt. Dies ist als abgrenzende Bezugnahme auf die Teledienstebeispiele des 2Abs.2TDG zu verstehen. Die Ttigkeit des Access-Providers lt sich zwar nicht auf einen Abrufdienst verkrzen, aber die Anwendbarkeit des MDStV auf die unteren Ebenen des Datentransports ist erst recht ausgeschlossen, wenn dieser schon auf der Applikationsebene unanwendbar ist. Die Regelung des 18Abs.3MDStV bleibt demnach auf Service- oder Content-Provider beschrnkt, soweit deren Inhalte Mediendienste sind. Das Tatbestandsmerkmal Zugang zur Nutzung vermitteln des 3Nr.1MDStV verweist demgegenber auf Hyperlinks oder das Angebot von Navigatoren und hnlichen Hilfsmitteln zur Nutzung von Mediendiensten.
III. Ausblick: EG-rechtliche Rahmenbedingungen
1. Sekundrrecht: Telekommunikationsrecht
Sekundrrecht der Europischen Gemeinschaft, das die Inhaltsverantwortlichkeit bei Neuen Diensten direkt regelt, ist bisher nicht erlassen worden.53 Anknpfungspunkte fr eine gemeinschaftsrechtliche Betrachtung bietet aber das europische Telekommunikationsrecht.54 Im Mittelpunkt55 der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen zum Telekommunikationsrecht stehen die Dienste-Richtlinie56 und die Open-Network-Provision57(ONP-)Richtlinie. In beiden Richtlinien sind Vorschriften zu paket- und leitungsbermittelten Datenbermittlungsdiensten zu finden (Art.2Nr.9 ONP-Richtlinie/Art.1 Spiegelstrich17 Dienste-Richtlinie). Von der Europischen Kommission werden Internet-Access-Provider als Anbieter von Datenbermittlungsdiensten im Sinne der Richtlinien angesehen.58 Im Rahmen der ONP-Bedingungen werden aber nur Regelungen fr die harmonisierte Bereitstellung solcher Dienste getroffen.59 Die Dienste-Richtlinie beschrnkt sich in Art.3Abs.6 auf die Anordnung, da das Angebot von Datendiensten nur durch ein Anmelde oder Allgemeingenehmigungsverfahren (Art.2Abs.3) reguliert werden darf. bertragungsinhaltsbezogene Regelungen finden sich nicht. Einen Anhaltspunkt hinsichtlich einer mglichen Verantwortlichkeit des Telekommunikationsanbieters fr den bertragungsinhalt bietet aber der 7. Erwgungsgrund zur Dienste-Richtlinie. Dort heit es: Die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen ist als solche auch nicht geeignet, die ffentliche Ordnung oder die Gesundheit zu beeintrchtigen.. Die Kommission ist bei Erla der Dienste-Richtlinie vielmehr davon ausgegangen, da die unmittelbare Wirkung der Dienstleistungsfreiheit der Art.59ff.EGV (Art.49ff. EGV/Amsterdam) eine Beschrnkung von Telekommunikationsdienstleistungen aufgrund der bertragungsinhalte nicht zulassen wrde. Ausprgungen im Normtext hat diese Ansicht allerdings nicht gefunden.
2. Primrrecht: Dienstleistungsfreiheit
Fehlen sekundrrechtliche Rechtsakte, so kommen als Prfungsmastab fr einzelstaatliche Regelungen unmittelbar anwendbare Vorschriften des gemeinschaftlichen Primrrechts in Betracht. Hierzu gehrt die Dienstleistungsfreiheit der Art.59ff. EGV.60 Fr den grenzberschreitenden Fernsehempfang61 - auch ber Kabelanlagen62 - hat der EuGH die Anwendbarkeit der Dienstleistungsfreiheit bejaht. Hinsichtlich der bertragungsart, nmlich der bermittlung durch Telekommunikation, sind Rundfunksendungen den Informations- und Kommunikationsdiensten vergleichbar, so da auch hier die Merkmale einer Dienstleistung i.S.d. Art60EGV vorliegen.63 Liegt die Datenquelle oder Datensenke in einem anderen Mitgliedstaat der EG, so erbringt der Access-Provider eine grenzberschreitende (Korrespondenz-)Dienstleistung, die von den Art.59ff.EGV erfat wird.64 Es liegt kein Sachverhalt vor, der nur einen reinen Inlandsbezug htte.65
Wenn die bertragung von und zu bestimmten Diensten untersagt wird, so beschrnken Sperrungsanordnungen die grenzberschreitende Erbringung der Dienstleistung des Access-Providers. Fr solche nichtdiskriminierende Manahmen, die sowohl in- als auch (EG-)auslndische Anbieter betreffen, besteht die Mglichkeit der Rechtfertigung aus zwingenden Grnden des Allgemeininteresses oder die Berufung auf Art.66i.V.m.Art.56EGV (Art.55 i.V.m. Art.46Abs.1EGV/Amsterdam). Letzteres scheidet fr die vorliegende Konstellation von vornherein aus, da der Verweis auf das Kapitel ber die Niederlassungsfreiheit (Art. 66 EGV) dahin gehend auszulegen ist, da eine Anwendung nur auf die aktive Dienstleistungsfreiheit mglich ist, bei der sich der Leistungserbringer vorbergehend in einen anderen Mitgliedstaat begibt.66 Beschrnkungen aufgrund des Allgemeininteresses finden ihre Grenzen wiederum im Verhltnismigkeitsprinzip.67 Und dieses zieht Sperrungsanordnungen gegenber Access-Providern enge Grenzen, wenn man die technischen Mglichkeiten und die stets vorhandene, ursprngliche Verantwortung des Content-Providers objektiv in die Abwgung miteinbezieht.
Aufgrund der eingeschrnkten technischen Mglichkeiten - effizient wird sich eine Sperrung im Internet nur ber die IPAdresse des betroffenen Systems realisieren lassen - hat eine Sperrungsanordnung darber hinaus die Folge, da nicht nur das verursachende, rechtswidrige Angebot auf einem Server gesperrt wird, sondern da der gesamte Inhalt des Servers nicht mehr zum Abruf verfgbar ist. Eine solche Manahme betrifft dann neben dem Access-Provider auch den Online-Service-Anbieter, der den gesperrten Server betreibt, und Content-Provider, die dort ihre Angebote vorhalten. Auch deren Dienstleistungen - bei einem Online-Service-Provider etwa das Web-Hosting oder bei einem Content-Provider eine Datenbank - erreichen den deutschen Markt nicht mehr68, und zwar unabhngig davon, ob der Inhalt mit dem deutschen Recht vereinbar ist. Auch sie knnen ihr Recht zur grenzberschreitenden Dienstleistungserbringung aus den Art. 59 ff. EGV nicht mehr ungehindert wahrnehmen. Bei rechtswidrigen Angeboten, die auf deutschen Servern lokalisiert sind, kann seitens deutscher Behrden gegen den Content- oder Online-Service-Provider vorgegangen werden. Von Sperrungsanordnungen werden also vornehmlich Dienstleistungen betroffen sein, die auf Servern im (EG-)Ausland vorgehalten werden. Faktisch fhrt dies dazu, da Sperrungsanordnungen nicht nur eine beschrnkende, sondern eine diskriminierende Wirkung haben. Tatschlicher Anknpfungspunkte fr eine Sperrung ist nicht nur das Vorliegen eines rechtswidrigen Inhalts, sondern auch der Standort des Servers auerhalb des deutschen Hoheitsgebiets. Eine solche verdeckte Diskriminierung69 EG-auslndischer Anbieter lt sich kaum mehr rechtfertigen. Solche diskriminierenden Beschrnkungen der Dienstleistungsfreiheit wren im Rahmen der berkommenen Dogmatik zur Dienstleistungsfreiheit lediglich nach Art.66i.V.m. Art.56EGV zu rechtfertigen. Diese Vorschriften sind wie oben dargestellt - auf personenunabhngige Dienstleistungen allerdings nicht anwendbar. Selbst eine bertragung der Keck-Rechtsprechung aus der Warenverkehrsfreiheit auf die Dienstleistungsfreiheit, die vom EuGH anscheinend fr mglich gehalten wird,70 scheitert vorliegend daran, da eine Sperrungsanordnung aus Sicht der betroffenen Online-Service- und Content-Provider keine unterschiedslose Geltung fr in- und auslndische Dienstleistungen entfaltet. Ob die Regelung des 5Abs.4TDG bei einer Anwendung auf Access-Provider einer Prfung am Mastab der Dienstleistungsfreiheit der Art. 59 ff. EGV standhlt, erscheint nach alledem mehr als zweifelhaft.
Sollte durch eine Vielzahl voneinander abweichender einzelstaatlicher Regulierungen der gemeinsame Markt fr Service-, Content- und Access-Provider zersplittert werden, so fhrt dies zwangslufig zum Erla harmonisierender Rechtsnormen durch die EG (vgl. Art. 100a EGV; Art.95EGV/Amsterdam).71 Und da dies zu den Zielen des deutschen Gesetzgebers bei Erla des IuKDG gehrt hat, darf bezweifelt werden.
IV. Zusammenfassung
1. Die Ttigkeit des Network-Providers unterfllt alleinig dem Telekommunikationsrecht.
2. Die Dienstleistung des Access-Providers ist dem Telekommunikationsrecht uuzuordnen und wird nur durch die Vorschrift des 3Nr.1,2. Alt.TDG in den Anwendungsbereich des Teledienstegesetzes einbezogen.
3. Der Wortlaut des 5TDG ist hinsichtlich des Erlasses von Sperrungsanordnungen gegen Access-Provider doppeldeutig. Die berwiegenden Grnde sprechen gegen eine Anwendung des 5Abs.4TDG auf Access-Provider. Ein explizite Haftungsfreistellung fr Access-Provider wre aus Grnden der Rechtsklarheit ratsam.
4. Regelungen des Sekundrrechts der Europischen Gemeinschaft zur Frage der Inhaltsverantwortlichkeit fr den bertragungsinhalt bei Neuen Diensten existieren nicht. Eine berschlgige Prfung von Sperrungsanordnungen aufgrund von 5Abs.4TDG am Mastab der Dienstleistungsfreiheit der Art.59ff.EGV fhrt zu dem Ergebnis, da die sich hieraus ergebenden Beschrnkungen und Diskriminierungen kaum zu rechtfertigen sind.
* | Univ.-Prof. Dr. Christian Koenig ist Direktor am Zentrum fr Europische Integrationsforschung an der Universitt Bonn; Sascha Loetz ist dort wissenschaftlicher Mitarbeiter. |
1 | AG Mnchen CR 1998, 500 m. Anm. Moritz = MMR 1998, 429 m. Anm. Sieber; Hoeren, NJW 1998, 2792 ff.; Bender, Bavaria v. Felix Somm: The Pornography Conviction of the former CompuServe Manager, abrufbar unter ![]() |
2 | Art. 1 des Gesetzes zur Regelung der Rahmenbedingungen fr Informations- und Kommunikationsdienste (Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz - IuKDG) vom 22.7.1997, BGBl. I 1997, 1870. |
3 | Telekommunikationsgesetz vom 25.7.1996, BGBl. I 1996, 1120. |
4 | Vgl. Europische Kommission, Grnbuch zur Konvergenz der Kommunikationsbranchen vom 1.12.1997. |
5 | Zu den Beteiligten: Sieber, CR 1997, 581 (597 f.). |
6 | Schuster in Beckscher TKG Kommentar, 1997, 4 Rz. 5. |
7 | Diese Tatsache ist bei Sieber (FN 5), 583, der eine Einbeziehung der Network-Provider in das TDG annimmt, nicht hinreichend bercksichtigt. |
8 | Schuster (FN 6), 4 Rz. 5. |
9 | Ebenso Koch, CR 1997, 193 (199); a.A. Pelz, ZUM 1998, 530 (534). |
10 | Engel-Flechsig/Maennel/Tettenborn, Neue Gesetzliche Rahmenbedingungen fr Multimedia, 1997, S. 16, schreiben 5TDG in diesem Zusammenhang eine Filterfunktion zu. |
11 | Diesem Schlu knnte entgegengesetzt werden, da es sich bei einem Network-Provider nicht mehr um den Vermittler von Individualkommunikation handelt, fr die diese Privilegierung zugeschnitten ist. Dabei wrde aber bersehen, da auch der Netzwerkbetreiber nur die Verbindung zwischen einzelnen Rechnern herstellt und auf den Inhalt der Nutzung keinen Einflu hat. |
12 | Ebenso EngelFlechsig, ZUM 1997, 231 (236); Pelz (FN 9), 533; auch BT-Drucks. 13/7385 zu Art. 1 5 Abs. 4. |
13 | Ob hier von einem Dienst im Sinne des berkommenen Netze- und Dienste-Schema der Fernmeldetechnik gesprochen werden knnte, erscheint fraglich. Im immer noch hufigsten Fall der Nutzung analoger bertragungswege zwischen Nutzer und Provider mittels Modem wird der eigentliche Datenstrom, der hier als Dienst zu bezeichnen wre, seinerseits nur auf dem originren Dienst Sprachtelefonie abgebildet; anders jedoch schon im Falle der Nutzung von ISDN, wenn dort spezifische Datenbermittlungsdienste in Anspruch genommen werden. |
14 | Bei proprietren Online-Diensten (z.B. CompuServe, T-Online) kann diese Funktion gnzlich entfallen oder vom Service-Provider mitbernommen werden. Auch dieses spricht gegen eine vorschnelle Subsumtion des Access-Providers unter 2Abs.1TDG; zu den flieenden bergngen zwischen den einzelnen Funktionstrgern bei einem Online-Zugriff, Sieber (FN 5), 597. |
15 | Engel-Flechsig/Maennel/Tettenborn (FN 10), 11; auch die (leicht miverstndliche) Begrndung in BT-Drucks. 13/7385 zu Art. 1 2 Abs. 2 Nr. 3. |
16 | Sieber (FN 5), 597 f. |
17 | Koch (FN 9), 200; Pelz (FN 9), 533. |
18 | So auch Koch (FN 9), 200. |
19 | Vgl. BT-Drucks. 13/7385 zu Art. 1 5 Abs. 4. |
20 | Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1983, S. 329. |
21 | So Spindler, KuR 1998, 177 (178). |
22 | Vgl. Sieber (FN 5), 660 ff. |
23 | Wohl ebenso Engel-Flechsig (FN 12), 239; anders aber Engel-Flechsig/Maennel/Tettenborn (FN 10), S. 16. |
24 | BT-Drucks. 13/7385 zu Art. 1 5 Abs. 4. |
25 | Larenz (FN 20), S. 310. |
26 | Vgl. Larenz (FN 20), S. 310. |
27 | Vgl. auch Zippelius, Juristische Methodenlehre, 1994, S. 48. |
28 | Sieber (FN 5), 584; Engel-Flechsig/Maennel/Tettenborn (FN 10), S. 18. |
29 | Zu dieser Spindler, MMR 1998, 639 ff. |
30 | Gounalakis/Rhode, KuR 1998, 321 (327); Vassilaki, MMR 1998, 630 (631); Engel-Flechsig/Maennel/Tettenborn (FN 10), S. 16. |
31 | Vgl. Sieber, Technisch mglich und zumutbar: Geeignete Kriterien fr die Praxis, abrufbar unter: ![]() |
32 | Sieber (FN 5), 668, mit 5Abs.4TDG aufgrund fehlender Zumutbarkeit von mglichen Sperrmanahmen eine nur geringe Bedeutung zu. Dies ist bei objektiver Gesetzesanwendung vollkommen zutreffend. In der Praxis scheint sich aber eine weite Auslegung durchzusetzen. |
33 | Vgl. Moritz, MMR 1998, 625; fr Strafverfolgungsbehrden: Sieber (FN 31). |
34 | (FN 1). |
35 | Vgl. Protokoll der Sachverstndigenanhrung in BT-Drucks. 13/7934 Teil A. 4. |
36 | BT-Drucks. 13/7934, nderungsantrag 13-654 zu Art. 1 5. |
37 | Gounalakis/Rhode (FN 30), 327. |
38 | Vgl. Moritz (FN 33), 625 f. |
39 | Vgl. die amtliche Begrndung zum Regierungsentwurf in BT-Drucks. 13/7385 zu Art. 1 2 Abs. 4. |
40 | Vgl. auch Sieber (FN 5), 597 f.; mit hnlicher Abgrenzung fr die Zugangsvermittlung ber Hyperlinks Spindler (FN 29), 642. |
41 | Koch (FN 9), 201. |
42 | BT-Drucks. 13/7385, Begrndung A. |
43 | Etwa auch durch erweiterte Verpflichtungen zur Speicherung von Verbindungsdaten, vgl. Schulzki-Haddouti, Nicht den Anschlu verlieren - Das Bundesinnnenministerium zur Kontrolle des Internet, ct 1998, Heft 18, 84 f. |
44 | Engel-Flechsig/Maennel/Tettenborn (FN 10), S. 16. |
45 | Sieber (FN 31). |
46 | Diesen Ansatz verfolgt im brigen auch der US-amerikanische Communications Decency Act, vgl. Hein/Davies, MMR 1998, 627 (629 ff.). |
47 | hnliche Bedenken auch bei Flechsig/Gabel, CR 1998, 351 (357). |
48 | Eichler/Helmers, BB 1997, Supplement Kommunikation & Recht (Beilage zu Heft 18), 23 (25). |
49 | Zur (noch weiter gehenden) US-amerikanischen Regelung: Hein/Davies (FN 46), 629 ff. |
50 | Vgl. z.B. Prmm/Sigrist, Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsrecht, 1997, S. 104 ff. |
51 | EngelFlechsig (FN 12), 239. |
52 | hnlich zu 5MDStV, Mller-Terpitz, MMR 1998, 478 (480). |
53 | Vgl. auch die kurze bersicht bei Engel-Flechsig/Maennel/Tettenborn (FN 10), S. 38; erste Anstze zeigen sich in der Richtlinie 98/84/EG vom 20.11.1998 ber den rechtlichen Schutz von zugangskontrollierten Diensten und von Zugangskontrolldiensten. |
54 | Hierzu insbesondere Scherer, Telecommunications Laws in Europe, 1998; Holznagel, Das Telekommunikationsrecht der Bundesrepublik Deutschland unter Bercksichtigung der europischen und internationalen Bezge, 1998, abrufbar unter http://www.uni-muenster.de/Jura.tkr/Materialien/TKR-Skript.pdf. |
55 | Scherer/Bartsch in Scherer (Hrsg.) (FN 54), S. 7. |
56 | Richtlinie 90/388/EWG vom 28.6.1990, zuletzt gendert durch die Richtlinie 96/19/EG v. 16.3.1996, konsolidierte Fassung z.B. bei Fangmann, Das neue Telekommunikationsgesetz, 1997, S. 113 ff. |
57 | Richtlinie 90/387/EWG v. 28.6.1990, zuletzt gendert durch die Richtlinie 97/51/EG vom 6.10.1997. |
58 | So z.B. die Mitteilung der Kommission zum Status der Internet-Telefonie, ABl. EG Nr. C v. 10.1.1998, 4 ff. |
59 | Vgl. etwa die Empfehlung 92/382/EWG des Rates v. 5.6.1992 zur harmonisierten Bereitstellung eines Mindestangebots an paketvermittelten Datendiensten nach ONP-Grundstzen, Abl. EG Nr. L 200 v. 18.7.1992, 1 ff. |
60 | EuGH Slg. 1974, S. 1291 (1310 ff.) - van Binsbergen. |
61 | EuGH Slg. 1974, S. 409 (428) - Sacchi. |
62 | EuGH Slg. 1980, S. 833 (855 f.) - Debauve. |
63 | Abzustellen ist nicht alleinig auf die bertragung der Daten zwischen Nutzer und Access-Provider, bei der im Regelfall keine Grenzberschreitung stattfinden wird, sondern auf den Standort der Datenquelle oder Datensenke. |
64 | Zur Einbeziehung solcher personenunabhngigen Dienstleistungen in den Dienstleistungsbegriff: Koenig/Haratsch, Europarecht, 2.Aufl., Rz. 506. |
65 | Und nur hierauf kann es ankommen, vgl.: Troberg, in vonderGroeben/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, 1997, Art. 60 Rz. 16; Streinz, Europarecht, 1996, Rz. 722. |
66 | Vgl. Troberg (FN 65), Art. 66 Rz. 2. |
67 | Streinz (FN 65), Rz. 722. |
68 | Vgl. z.B. die Mitteilung der Europischen Kommission Illegale und schdigende Inhalte im Internet, abrufbar unter http://www2.echo.lu/legal/de/internet/communic.html. |
69 | Zu diesen Koenig/Haratsch (FN 64), Rz. 509. |
70 | EuGH, Slg. 1995, S. I-1141, 1177 f. - Alpine Investments. |
71 | Die Kommission stellt dieses schon in Aussicht, vgl. Mitteilung der Kommission Illegale und schdigende Inhalte im Internet (FN 68). |
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Univ.-Prof. Dr. Christian Koenig/Sascha Loetz, 1999-2001 / Verffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift "Computer und Recht" / Alle Rechte vorbehalten / Stand: 2001-11-23 / URL: http://www.artikel5.de/artikel/sperrungsanordnungen.html |