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VERWALTUNGSGERICHT MINDEN
Beschluss
11 L 1110/02
In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren
wegen einer Sperrverfgung nach dem Mediendienstestaatsvertrag; hier: Antrag nach 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO
hat die 11. Kammer
am 31. Oktober 2002
durch
den Richter am Verwaitungsgericht E. [...],
den Richter am Verwaltungsgericht C. [...] und
den Richter am Verwaltungsgericht T. [...]
beschlossen:
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin (11 K 2646/02) gegen die Sperrverfgung der Antragsgegnerin vom 6.2.2002 in Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 12.7.2002 wird wiederhergestellt.
2. Die Antragsgegnerin trgt die Kosten des Verfahrens.
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3. Der Streitwert wird auf 5.000,- festgesetzt.
G r n d e:
Der Antrag nach 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin (11 K 2646/02) gegen die Sperrverfgung der Antragsgegnerin vom 6.2.2002 in der gem. 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO jetzt magebenden Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.7.2002 ist zulssig und begrndet.
Die Begrndung fr die nachtrgliche Anordnung der sofortigen Vollziehung der Sperrverfgung gengt allerdings den Anforderungen des 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Der Antragsgegnerin war der Ausnahmecharakter des Sofortvollzuges ersichtlich bewusst, und der Begrndung der Anordnung vom 6.9.2002 lsst sich entnehmen, dass sie aus besonderen Grnden des zu entscheidenden Einzelfalles ausnahmsweise eine sofortige Vollziehung fr geboten hielt. Weiter gehende Anforderungen stellt 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht.
Vgl. OVG NRW, Beschlsse vom 5.7.1994 - 18 B 1171/94 -, NWVBl. 1994, 424 = AuAS 1994, 258, vom 26.5.1999 - 18 B 962/98 - und vom 4.10.2002 - 18 B 380/02 -.
Der Aussetzungsantrag ist jedoch in der Sache begrndet. Das ffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des streitigen Bescheides hat geringeres Gewicht als das entgegenstehende Aufschubinteresse der Antragstellerin.
Im Rahmen der Interessenabwgung hlt die Kammer die angefochtene Verfgung weder fr offensichtlich rechtmig noch fr offensichtlich rechtswidrig. Ihre berprfung im Klageverfahren wird die Klrung schwieriger Rechtsfragen erfordern, wie allein schon der Umfang der streitbefangenen Bescheide und die bisherigen umfangreichen Schriftstze der Beteiligten zu den anstehenden Rechtsproblemen verdeutlichen. Eine Klrung dieser Rechtsfragen in einem nur vorlufigen, auf eine summarische berprfung beschrnkten Rechtsschutzverfahren ist nicht angezeigt.
Die demnach gebotene allgemeine Interessenabwgung fllt zu Gunsten der Antragstellerin aus. Fr sie spricht bereits, dass Rechtsbehelfe gegen belastende Verwaltungsakte - wie die hier streitige Verfgung - grundstzlich aufschiebende Wirkung
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haben sollen ( 80 Abs. 1 VwGO). Es ist kein berwiegender Grund dafr erkennbar, hiervon im vorliegenden Fall abweichen zu mssen.
Sollte die Sperrverfgung zu Unrecht ergangen sein und wrde der Antragstellerin gleichwohl vorlufiger Rechtsschutz versagt, wrden ihr bis zu einem rechtskrftigen Obsiegen in einem Hauptsacheverfahren mit groer Wahrscheinlichkeit bereits erhebliche, nicht ohne weiteres wieder gutzumachende, ungerechtfertigte finanzielle Nachteile entstehen, unabhngig von der - von den Beteiligten sehr unterschiedlich beantworteten - Frage, wie gro zudem der (ggf. letztlich vergebliche) Aufwand fr eine sofortige Befolgung der Sperrverfgung tatschlich ist.
Sollte die Sperrverfgung hingegen zu Recht ergangen sein, wren die Folgen einer dann objektiv nicht berechtigten vorlufigen Rechtsschutzgewhrung weniger schwer wiegend. Die inkriminierten Webseiten mit - nach Darstellung der Antragsgegnerin - strafbaren rechtsextremistischen Inhalten bleiben damit zwar (auch) ber die Antragstellerin als Provider vorlufig weiterhin erreichbar. Es ist jedoch ohne weiteres wahrscheinlich, dass die an diesen Internetseiten Interessierten im Falle der Sperrung des Zugangs zu diesen Seiten durch die Antragstellerin zu anderen, insbesondere in den brigen Bundeslndern der Bundesrepublik Deutschland ansssigen Providern wechseln wrden, ber die der Zugriff auf die inkriminierten Seiten nach wie vor mglich ist. Die Antragsgegnerin selbst weist in ihrer Anordnung vom 6.9.2002 (S. 6 Mitte) - wenn auch in anderem Zusammenhang - auf die sehr nahe liegende Mglichkeit eines Wechsels des Providers durch die Nutzer hin. Damit ist das von der Antragsgegnerin mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Sperrverfgung verfolgte Ziel, schnellstmglich den Zugang zu den inkriminierten Internetseiten zu unterbinden, nur teilweise zu frdern, aber keinesfalls endgltig zu erreichen. Es kommt hinzu, dass nach derzeitigem Stand 58 Provider aus Nordrhein-Westfalen die inkriminierten Selten mittlerwelle schon gesperrt und nur 17 weitere Provider Klage gegen die Sperrverfgungen der Antragsgegnerin erhoben haben; ber die Mehrzahl der nordrhein-westflischen Provider ist also fr die Masse der Internetnutzer ein Zugriff auf die fraglichen Webseiten schon nicht mehr mglich. Das relativiert die von der Antragsgegnerin bejahte Gefahr (Zugriffsmglichkeit auf Webseiten mit strafbarem Inhalt) weiter.
Das Argument der Antragsgegnerin, sie wolle mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung auch verhindern, dass die Antragstellerin - ebenso wie die weiteren Provider, die gegen entsprechende Sperrverfgungen gerichtlich vorgehen - sich wirtschaftliche Vorteile gegenber denjenigen Providern verschafft, die den Sperrverfgungen mittlerweile Folge geleistet haben, verfngt in diesem Zusammenhang nicht.
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Es ist generell keine Aufgabe der Ordnungsverwaltung, Manahmen zum Schutz der privatwirtschaftlichen Interessen von Marktkonkurrenten zu ergreifen. Abgesehen davon ist das Argument der Antragsgegnerin widersprchlich, weil sie mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung gerade denjenigen Wettbewerbern auf dem Providermarkt Vorteile verschafft, gegen die auerhalb von Nordrhein-Westfalen gar keine entsprechenden Sperrverfgungen ergehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Dabei legt die Kammer ein erheblich hheres Interesse der Antragstellerin am vorliegenden Verfahren zu Grunde, als es der - in einem Eilverfahren regelmaig zu halbierende - gesetzliche Auffangwert des 13 Abs. 1 Satz 2 GKG zum Ausdruck bringt, allerdings - unter Bercksichtigung der vllig unterschiedlichen Auffassungen der Beteiligten ber den Aufwand fr die Umsetzung der Sperrverfgung und deren mgliche Auswirkungen - in deutlich geringerer Hhe, als die Antragstellerin die ihr angeblich entstehenden Kosten (eidesstattliche Versicherung ihres W. [...] vom 18.9.2002) und Folgeschden veranschlagt; den drohenden Verlust eines namhaften Grokunden [...] bei Befolgung der streitigen Sperrverfgung hat die Antragstellerin nicht plausibel dargelegt.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen den Beschluss zu 1. kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung Beschwerde bei dem Verwaltungsgericht Minden (Knigswall 8, 32423 Minden, oder Postfach 32 40, 32389 Minden) eingelegt werden, ber die das Oberverwaltungsgericht fr das Land Nordrhein-Westfalen in Mnster entscheidet. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begrnden. Die Begrndung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Grnde darlegen, aus denen die Entscheidung abzundern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
Die Beschwerde ist einzulegen und zu begrnden durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befhigung zum Richteramt als Bevollmchtigten. Juristische Personen des ffentlichen Rechts und Behrden knnen sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befhigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im hheren Dienst, Gebietskrperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befhigung zum Richteramt der zustndigen Aufsichtsbehrde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehren, vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in 67 Abs. 1 Stze 4 bis 7 VwGO wird hingewiesen.
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Der Beschluss zu 2. ist nicht selbststndig anfechtbar.
Gegen den Beschluss zu 3. kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem diese Entscheidung Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschftsstelle Beschwerde bei dem Verwaltungsgericht Minden (Knigswall 8, 32423 Minden, oder Postfach 32 40, 32389 Minden) eingelegt werden, ber die das Oberverwaltungsgericht fr das Land Nordrhein-Westfalen in Mnster entscheidet, falls das Verwaltungsgericht ihr nicht abhilft. Die Beschwerde ist nur zulssig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes fnfzig Euro bersteigt.
[gez.]
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