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8 B 2567/02
13 L 1848/02 Arnsberg


B e s c h l u s s


In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren


wegen Sperrungsverfgung gem 22 Abs. 3 MDStV, hier: Beschwerde; Antrag nach 80 Abs. 5 VwGO

hat der 8. Senat des


OBERVERWALTUNGSGERICHTS FR DAS LAND NORDRHEIN-WESTFALEN

am 19. Mrz 2003


durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht [...],
den Richter am Oberverwaltungsgericht [...],
den Richter am Verwaltungsgericht [...]


beschlossen:


Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 06. Dezember 2002 wird zurckgewiesen.

Die Antragstellerin trgt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch fr das Beschwerdeverfahren auf 2000,-- EUR festgesetzt.


G r n d e:


I.


Die Antragstellerin ist ein Internet-Service-Provider und bietet ihren Kunden u.a. den Zugang zum Internet an (Zugangsanbieter oder "Access-Provider"). Bei den Kunden der Antragstellerin handelt es sich nach ihren Angaben zu einem grosen Teil um Privatkunden, aber auch um Geschftskunden, die die Dienstleistungen der Antragstellerin fur den E-Mail-Verkehr und den Internet-Zugang in ihren Betrieben nutzen.

ber den von der Antragstellerin angebotenen Zugang ist auch der Zugriff auf die Webseiten "[...]" und "[...]" moglich. Mit Verfgungen vom 6. Februar 2002 an die I. [...] GmbH und vom 8. Februar 2002 an die M. [...] Telekommunikationsgesellschaft mbH gab die Antragsgegnerin diesen Gesellschaften auf, den Zugang zur Nutzung zu den beiden Webseiten wegen Versten gegen den Mediendienste-Staatsvertrag im Rahmen des von ihnen vermittelten Nutzungsangebotes zu sperren.

Die Antragstellerin erhob mit Schreiben vom 22. Februar 2002 Widerspruch gegen den Bescheid vom 6. Februar 2002. Die I. [...] GmbH erbringe fr sich selbst und die regionalen Telefongesellschaften B. [...], H. [...], M. [...], T. [...] und I. [...], letztere betreue die Marke X. [...], die Dienstleistung "Access-Providing". Sie teilte unter dem 22. April 2002 mit, dass die M. [...] Telekommunikationsgesellschaft M. [...] mbH durch Betriebsbergang rckwirkend zum 1. Januar 2002 mit allen Rechten und Pflichten in die Antragstellerin bergegangen sei.

Den Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit einem an die Antragstellerin gerichteten Bescheid vom 12. Juli 2002 zurck.

Am 14. August 2002 hat die Klgerin Klage erhoben (VG Arnsberg 13 K 3173/02). Nachdem die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 6. September 2002 die sofortige Vollziehung der Sperrungsverfgung vom 6. Februar 2002 angeordnet und den Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung unter dem 10. Oktober 2002 abgelehnt hatte, hat die Antragstellerin am 22. Oktober 2002 um vorlufigen Rechtsschutz nachgesucht.

Die Antragstellerin hat beantragt,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Verfgung der Antragsgegnerin vom 6. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juli 2002 wiederherzustellen,

hilfsweise,

die Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 6. September 2002 in der Gestalt des Ablehnungsbescheids vom 10. Oktober 2002 aufzuheben.


Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.


Sie hat sich im Wesentlichen auf die angefochtenen Bescheide sowie die Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 6. September 2002 Bezug genommen.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage mit Beschluss vom 6. Dezember 2002 abgelehnt.

Hiergegen hat die Antragstellerin am 23. Dezember 2002 Beschwerde eingelegt. Sie beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 6. Dezember 2002 abzundern und die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Verfgung der Antragsgegnerin vom 6. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juli 2002 wiederherzustellen.


Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurckzuweisen.


Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und des Verfahrens 13 K 3173/02 VG Arnsberg Bezug genommen.

II.


Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 6. Dezember 2002 hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewhrung vorlufigen Rechtsschutzes nach 80 Abs. 5 VwGO zu Recht abgelehnt. Der Antrag ist unter Bercksichtigung des Beschwerdevorbringens, auf dessen Prfung der Senat gem 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschrnkt ist, unbegrndet.

Das ffentliche Interesse am Vollzug der Sperrverfgung berwiegt das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage. Gem 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs oder der Klage wiederherstellen bzw. anordnen. Dabei ist im Rahmen einer Interessenabwgung zu prfen, ob das ffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung oder das private Interesse an der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs berwiegt. An der Vollziehung einer offensichtlich rechtswidrigen Manahme kann kein ffentliches Interesse bestehen; ist die zu vollziehende Manahme offensichtlich rechtmig, kann das private Interesse am Aufschub der Vollziehung regelmig als gering veranschlagt werden, so dass jedenfalls bei Hinzutreten einer der Sache nach gegebenen Dringlichkeit das ffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung berwiegt. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache bei der im Verfahren nach 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein mglichen summarischen Prfung nicht abschlieend abschtzen, bedarf es einer Abwgung aller relevanten Umstnde, insbesondere der Vollzugsfolgen, um zu ermitteln, wessen Interesse fr die Dauer des Hauptsacheverfahrens Vorrang gebhrt.

1. Es ist weder von der offensichtlichen Rechtmigkeit noch der offensichtlichen Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheids auszugehen. Bei summarischer Prfung spricht Einiges fr die Rechtmigkeit der in der Hauptsache angefochtenen Sperrverfgung. Eine weitere Sachverhaltsermittlung und eine abschlieende Beurteilung der Rechtsfragen mssen aber dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Die von den Parteien aufgeworfenen Rechtsfragen, auch verfassungsrechtlicher Art, knnen und mssen nicht im Verfahren des vorlufigen Rechtsschutzes geklrt werden.

a) Ermchtigungsgrundlage ist 22 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 des Mediendienste-Staatsvertrages vom 27. Juni 1997 (GV NRW S. 158) in der Fassung des Art. 3 des Sechsten Rundfunknderungsstaatsvertrages vom 7. Juni 2002 (GV NRW S. 178) – MDStV -.

Der Mediendienste-Staatsvertrag findet auf die beiden in Rede stehenden Webseiten Anwendung, weil es sich bei ihnen um Mediendienste und nicht um Teledienste handelt.

aa) Die Anwendbarkeit des Mediendienste-Staatsvertrages bestimmt sich - in Abgrenzung zum Teledienstegesetz (TDG) - nach dem konkreten Inhalt des Internetangebotes im Einzelfall.

Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 18. Dezember 2002 - 1 L 2528/02 -, S. 4; VG Dsseldorf, Beschluss vom 19. Dezember 2002 - 15 L 4148/02 - S. 17 ; VG Aachen, Beschluss vom 5. Februar 2003 - 8 L 1284/02 -, S. 5; VG Kln, Beschluss vom 7. Februar 2003 - 6 L 2495/02 -, S. 15; Spindler/Volkmann, a.a.O., S. 399 f.; Zimmermann, Polizeiliche Gefahrenabwehr und das Internet, NJW 1999, 3145 (3146); Hoeren, Stellungnahme zur geplanten Sperrverfgung der Bezirksregierung Dsseldorf vom 8. November 2001, S. 2.


(1) Der Begriff der Mediendienste umfasst nach der Legaldefinition des 2 Abs. 1 Satz 1 MDStV das Angebot und die Nutzung von an die Allgemeinheit gerichteten Informations- und Kommunikationsdiensten in Text, Ton oder Bild, die unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder lngs oder mittels eines Leiters verbreitet werden. Dazu gehren nach Abs. 2 Nr. 4 dieser Bestimmung insbesondere Abrufdienste, bei denen Text-, Ton- oder Bilddarbietungen auf Anforderung aus elektronischen Speichern zur Nutzung bermittelt werden, mit Ausnahme von solchen Diensten, bei denen der individuelle Leistungsaustausch oder die reine bermittlung von Daten im Vordergrund steht.

Zu "Internet-(Online-)Diensten" vgl. Meier, in: Ronagel, Recht der Multimedia-Dienste, 2 MDStV Rdnr. 66.


Die Bestimmungen des Teledienstegesetzes bleiben unberhrt, 2 Abs. 1 Satz 3 MDStV.

Von einem Mediendienst ist danach auszugehen, wenn der Dienst der allgemeinen Meinungsbildung dienen soll, also die redaktionelle Gestaltung im Vordergrund steht. Unter redaktioneller Gestaltung ist das Sammeln und Aufbereiten von verschiedenen Informationen oder Meinungen mit Blick auf den potentiellen Empfnger zu verstehen. Die inhaltliche, sprachliche, graphische oder akustische Bearbeitung eines Angebotes muss zur Einwirkung auf die ffentliche Meinungsbildung oder der Information zu dienen bestimmt sein.

Vgl. Gounalakis/Rhode, Elektronische Kommunikationsangebote zwischen Telediensten, Mediendiensten und Rundfunk, in: CR 1998 487, 490; Spindler, in: Ronagel, a.a.O, 2 TDG Rdnr. 31.


(2) Demgegenber gelten nach 2 Abs. 1 TDG die Bestimmungen dieses Gesetzes fr alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, die fr eine individuelle Nutzung von kombinierbaren Daten wie Zeichen, Bilder oder Tne bestimmt sind und denen eine bermittlung mittels Telekommunikation zugrunde liegt. In diesem Fall sind die elektronisch erbrachten Leistungen auf ein konkretes Individualverhltnis zwischen dem Nutzer und dem Anbieter - z.B. Telebanking nach 2 Abs. 2 Nr. 1 TDG - bezogen oder haben die reine Informationsvermittlung - z.B. Datendienst nach 2 Abs. 2 Nr. 2 TDG - zum Ziel.

Vgl. Gounalakis/Rhode, a.a.O., S. 489 ff.; Spindler, in: Ronagel, a.a.O, 2 TDG Rdnr. 31 und 33 f.


Entscheidend fr die Abgrenzung ist danach, ob bei einer Gesamtschau der Dienst an die Allgemeinheit gerichtet ist oder ob der individualkommunikative Charakter im Vordergrund steht.

bb) Nach diesen Grundstzen sind beide in Rede stehenden Webseiten Mediendienste. Es handelt sich nicht nur um reine Informationsangebote i.S.d. 2 Abs. 2 Nr. 2 TDG. Beide Seiten zielen auf Meinungsbildung ab. Sie weisen hinreichend publizistische Elemente auf und sind erkennbar auf Propaganda ausgerichtet. Die Webseite "[...]" erffnet mit dem Schriftzug Whitepride/Worldwide. Die Verfasser stellen sich als eine Organisation fr die "mutigen Mnner und Frauen" vor, die die weie westliche Kultur, die Ideale und die Meinungsfreiheit verteidigten sowie politische und soziale Gruppen bildeten, um "den Sieg sicherzustellen". Die nachfolgenden Artikel, so z.B. "Schafft befreite Zonen!", "Zentrale Thesen des dritten Weges" mit ihren jeweiligen Untertiteln und die dargestellten Hakenkreuz-Symbole sind auf die Meinungsbildung eines nicht bestimmten Nutzerkreises gerichtet.

Auch die Webseite "[...]" ist redaktionell ausgestaltet. Auf der Eingangsseite findet sich ein Foto von Gary Lauck mit Hitlerfrisur und Schnurrbart, bekleidet mit khaki-braunem Uniformhemd und Hakenkreuzbinde um den Arm, der vor einer Hakenkreuzfahne am Schreibtisch sitzt. Es wird ausgefhrt, dass die NSDAP/AO Zeitschriften in zwlf Sprachen sowie diverses Propagandamaterial wie z.B. Hakenkreuzaufkleber und Bcher ber den Nationalsozialismus herausgebe. Auf den nachfolgenden Seiten werden Politiker und Persnlichkeiten verunglimpft, indem ihnen rechtsradikale Lieder und Gedankengut in den Mund gelegt werden. Im Folgenden knnen diverse Naziartikel bestellt werden. Des Weiteren finden sich Aufrufe zur Untersttzung des nationalsozialistischen Gedankenguts sowie zum Verschicken von Solidarittsschreiben an "inhaftierte Kameraden". Darber hinaus werden Anleitungen gegeben, wie das Internet zur nationalsozialistischen Propaganda genutzt werden kann. Dass unter anderem auch Nazi-Artikel bestellt werden knnen, steht der Zuordnung als Mediendienst nicht entgegen. Die Angebote sind eingebettet in entsprechende nationalsozialistische Propaganda und werden mit entsprechenden Begleittexten versehen (vgl. z.B. zum Film "Der Ewige Jude"). Nach dem gesamten Erscheinungsbild der Webseite steht die "journalistische" Ausgestaltung zur Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts fr die Allgemeinheit im Vordergrund.

Vgl. VG Dsseldorf, a.a.O., S. 17; VG Gelsenkirchen, a.a.O.; S. 5 f.; VG Kln, a.a.O., S. 16 f.; VG Aachen, a.a.O., S. 5 f.; Greiner, Sperrungsverfgungen als Mittel der Gefahrenabwehr im Internet, CR 2002, 620.


b) Die Antragsgegnerin ist nach 22 Abs. 3 MDStV fr den Erlass der Verfgung zustndig, vgl. 1 und 2 der Verordnung ber Zustndigkeiten nach dem Mediendienste-Staatsvertrag vom 1. Juli 1997 (GV NRW S. 184). Die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage, ob die Antragsgegnerin fr den Erlass der Verfgung etwa im Hinblick auf das vlkerrechtliche Nichteinmischungsverbot international zustndig ist, drfte sich nicht stellen. Gegenstand des Verfahrens ist die Sperrung des Zugangs, den die Antragstellerin - mit Sitz in Nordrhein-Westfalen - ihren Kunden vermittelt.

c) Offenkundige Zweifel an der Verfassungsmigkeit der Ermchtigungsgrundlage bestehen nicht. Die Gesetzgebungszustndigkeit der Lnder drfte sich aus einer Annexkompetenz zur anerkannten Gesetzgebungskompetenz der Lnder fr den Rundfunk nach Art. 70 Abs. 1 GG ergeben.

Vgl. Vesting in: Ronagel, a.a.O., 18 MDStV Rdnr. 11; a.A.: Koenig/Loetz, Sperrungsanordnungen gegenber Network- und Access-Providern, Computer und Recht 1999, 438


Sofern – wofr wenig spricht – die Materie Presserecht einschlgig sein sollte, stnde dem Bund eine Rahmengesetzgebungskompetenz gem Art. 75 Abs. 1 Nr. 2 GG zu. Gleichwohl wre auch fr dieses Gebiet die Gesetzgebungszustndigkeit der Lnder gegeben, da der Bund fr den hier in Rede stehenden Regelungskomplex seine Rahmenkompetenz nicht in Anspruch genommen hat.

Vgl. zur landesrechtlichen Regelung der Verjhrung von Pressedelikten: BVerfG, Beschluss vom 4. Juni 1957 - 2 BvL 17/56 u.a., BVerfGE 7, 29 (42 f.)


Offensichtliche Bedenken im Hinblick auf eine verfassungswidrige Einschrnkung der Rundfunk- oder der Pressefreiheit der Anbieter (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) bzw. der Meinungs- oder Informationsfreiheit der Anbieter und Nutzer (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG),

vgl. aber Vesting in: Ronagel, a.a.O., 18 MDStV Rdnr. 6 ff.; Stadler, Sperrungsverfgung gegen Access- Provider, MMR 2002, 343,


sind nicht gegeben. Unabhngig davon, ob die Freiheit der bermittlung von Informationen aus dem Internet durch die Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) oder durch die Meinungsuerungs- und -verbreitungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) gewhrleistet ist,

vgl. Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Band 1, 4. Auflage 1999, Art. 5 Abs. 1,2 Rz. 97 m.w.N.,


kommt ein Eingriff in diese Freiheiten auf der Grundlage des Art. 5 Abs. 2 GG in Betracht. Danach finden die Rechte des Art. 5 Abs. 1 GG ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, in den Bestimmungen zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persnlichen Ehre. Das Zensurverbot des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG drfte nicht einschlgig sein. Hierunter wird allein die sog. Vor- oder Prventivzensur verstanden, d.h. ein Verfahren, vor dessen Abschluss ein Werk nicht verffentlicht werden darf.

Vgl. Stark, a.a.O., Rdnr. 156; Spindler/Volkmann, Die ffentlich-rechtliche Strerhaftung der Access-Provider, 398 (407).


Offensichtliche Bedenken gegen die Verfassungsmigkeit des 22 Abs. 2 und 3 MDStV ergeben sich auch nicht aus dem Grundsatz der "Polizeifestigkeit der Presse",

Vgl. dazu Vesting, a.a.O., 18 Rdnr. 8, Stadler, a.a.O., S. 343 f.


Dieser in 1 Abs. 2 LPresseG NRW normierte Grundsatz schliet zwar in dem vom Landespressegesetz erfassten Bereich ein prventives Einschreiben auf der Grundlage der allgemeinen polizei- bzw. ordnungsrechtlichen Generalklausel aus. Soweit ihm darber hinaus ber Art. 5 GG ein verfassungsrechtlicher Gehalt zukommen sollte, steht er einer spezialgesetzlichen Ermchtigungsgrundlage, die - wie 22 MDStV - zu einem Einschreiten wegen Verstoes gegen konkrete, spezifizierte gesetzliche Verbote ermchtigt, nicht entgegen, soweit den Anforderungen des Art. 5 Abs. 2 GG gengt wird.

Vgl. zur Polizeifestigkeit der Meinungsfreiheit, Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rdnr. 260 ff. und zur Pressefreiheit Rdnr. 572; Gtz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 13. Auflage 1991, Rn. 331; Lffler, Handbuch des Presserechts, 4. Auflage 2000, S. 63 (Rn. 4).


Soweit durch die Regelung die Berufsausbung (Art. 12 GG) und unter Umstnden das Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) der Zugangsvermittler im Einzelfall beeintrchtigt sein knnten, bietet schon das Tatbestandsmerkmal der Zumutbarkeit in 22 Abs. 3 MDStV eine hinreichende Mglichkeit zur Bercksichtigung etwaiger Grundrechtspositionen.

d) Die Voraussetzungen fr den Erlass der Sperrungsverfgung gegenber der Antragstellerin nach 22 Abs. 3 i.V.m. Abs 2 Satz 1 MDStV liegen bei summarischer Prfung vor. Gem 22 Abs. 2 MDStV hat die Aufsichtsbehrde bei im einzelnen bezeichneten Versten gegen den Mediendienste-Staatsvertrag die erforderlichen Manahmen gegenber dem Diensteanbieter zu treffen. Nach 22 Abs. 3 MDStV knnen Manahmen zur Sperrung von Angeboten nach Abs. 2 auch gegen den Diensteanbieter von fremden Inhalten nach den 7 bis 9 MDStV gerichtet werden, sofern Manahmen gegenber dem Verantwortlichen sich als nicht durchfhrbar oder nicht erfolgversprechend erweisen und eine Sperrung technisch mglich und zumutbar ist.

aa) Ein Versto gegen die Bestimmungen des Staatsvertrages im Sinne des 22 Abs. 2 Satz 1 MDStV liegt vor. Die Webseiten enthalten offenkundig unzulssige Inhalte im Sinne des 12 MDStV.

Die Webseite "[...]" verstt gegen strafrechtliche Bestimmungen ( 12 Abs. 1 Nr. 1 MDStV). Der Tatbestand des 86 a Abs. 1 Nr. 1 StGB wird auf mehreren Seiten durch die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Hakenkreuzdarstellungen etc.) verwirklicht. Auch drfte voraussichtlich der Tatbestand der Volksverhetzung nach 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfllt sein.

In dem gesamten Internetangebot wird rechtsextremes Gedankengut verbreitet. Insbesondere mit dem Text: "Schafft befreite Zonen" wird zum Hass gegen Teile der Bevlkerung aufgestachelt bzw. zu Gewalt und Willkrmanahmen aufgefordert. Nach der mageblichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in vergleichbaren Fallkonstellationen tritt der zum Tatbestand gehrende Erfolg bei der Verbreitung im Internet auch im Inland ( 9 Abs. 1 Alt. 3 StGB) ein.

Vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2000 - 1 StR 184/00 -, NJW 2001, S. 624 ff.


Zudem ist das Angebot offensichtlich geeignet, Kinder und Jugendliche sittlich schwer zu gefhrden ( 12 Abs. 1 Nr. 3 MDStV).

Auf den Seiten von "[...]" werden die Juden auf zynische Weise verunglimpft. Es wird zum Hass und zur Vernichtung von Juden und anderen "Volksfeinden" aufgerufen, wodurch zumindest der Tatbestand der Volksverhetzung nach 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfllt ist. Ferner wird die Judenvernichtung gebilligt, wodurch der qualifizierte Tatbestand des 130 Abs. 3 StGB verwirklicht ist. Auf dem gesamten Seitenangebot werden Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verwendet, 86 a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Darber hinaus wird mit dem Gesamtangebot der Webseite auch der Krieg verherrlicht ( 12 Abs. 1 Nr. 2 MDStV). Insgesamt besteht offensichtlich die Eignung, Kinder und Jugendliche sittlich schwer zu gefhrden ( 12 Abs. 1 Nr. 3 MDStV).

bb) Manahmen gegenber dem bzw. den Verantwortlichen nach 6 Abs. 1 MDStV sind nicht durchfhrbar bzw. nicht erfolgversprechend. Es kann dahinstehen, ob an die Unmglichkeit oder Aussichtslosigkeit von Manahmen gegen Content- und Host-Provider insoweit strenge Anforderungen zu stellen sind, um dem Regel/Ausnahmeprinzip der 22 Abs. 2 und 3 MDStV gerecht zu werden.

So Spindler/Volkmann, a.a.O., S. 405.


Denn die Antragsgegnerin hat in der Sperrverfgung, im Widerspruchsbescheid und in der Antragserwiderung im Einzelnen ihre Bemhungen zur Heranziehung der Verantwortlichen im Ausland dargelegt. Es ist nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin weitere Mglichkeiten hat, gegenber den Verantwortlichen im Ausland einzuschreiten oder ein Einschreiten zu veranlassen.

cc) Nach 22 Abs. 3 MDStV knnen Manahmen zur Sperrung auch gegen einen Diensteanbieter von fremden Inhalten nach den 7 bis 9 MDStV gerichtet werden.

Die Antragstellerin ist als Zugangsvermittlerin Diensteanbieterin im Sinne des 7 MDStV. Diese Bestimmung gilt nach ihrem Wortlaut fr Diensteanbieter, die fremde Informationen in einem Kommunikationsnetz bermitteln oder zu denen sie den Zugang vermitteln. Die Antragstellerin stellt unstreitig den Zugang zu fremden Informationen im Internet her. Auch die amtliche berschrift des 7 MDStV: "Durchleitung von Informationen" macht deutlich, dass die bloe Zugangsvermittlung von der (haftungsprivilegierenden) Bestimmung erfasst sein soll. Zudem ist bereits nach der allgemeinen Begriffsbestimmung des 3 Nr. 1 MDStV (auch) Diensteanbieter im Sinne des MDStV, wer fremde Mediendienste zur Nutzung bereit hlt oder den Zugang zur Nutzung vermittelt.

Die Entstehungsgeschichte sttzt dieses Normverstndnis. 7 MDStV geht zurck auf Art. 12 der Richtlinie 2000/31/EG des Europischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 ber bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschftsverkehrs, im Binnenmarkt ("Richtlinie ber den elektronischen Rechtsverkehr") - ABl. L 178 vom 17. Juli 2000, S. 1 ff. -. Art. 12 der Richtlinie regelt die Verantwortlichkeit von Zugangsvermittlern und lsst nach Abs. 3 insbesondere die Mglichkeit einer Sperrverfgung gegen einen Diensteanbieter, der lediglich den Zugang vermittelt, ausdrcklich zu. Die 7 bis 9 des MDStV setzen die Art. 12 bis 15 der Richtlinie ber den elektronischen Rechtsverkehr um.

Vgl. dazu Greiner, Die Verhinderung verbotener Internetinhalte im Wege polizeilicher Gefahrenabwehr, Hamburg 2001, S. 181 f.; Bornemann, Der Sechste Rundfunknderungsstaatsvertrag - ein berblick, K & R 2002, 301 (304 f.); Begrndung der Bayerischen Staatsregierung zum Sechsten Staatsvertrag zur nderung des Rundfunkstaatsvertrages, des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages und des Mediendienste-Staatsvertrag (Sechster Rundfunknderungsstaatsvertrag), Bayerischer Landtag, Drs. 14/8628, S. 11 (21).


Soweit zu 18 Abs. 3 MDStV a.F. die Auffassung vertreten wurde, dass eine Sperrverfgung nicht an einen Zugangsvermittler gerichtet werden knne, weil "Anbieter von fremden Inhalten nach 5 Abs. 3" nur Anbieter von Navigationshilfen, Hyperlinks bzw. Suchmaschinen seien,

vgl. zum Streitstand Greiner, Die Verhinderung verbotener Internetinhalte im Wege polizeilicher Gefahrenabwehr, S. 73 ff.; zu 3 TDG: Sieber, Verantwortlichkeit im Internet, Mnchen 1999, Rdnr. 262.


besteht jedenfalls nunmehr angesichts des Wortlauts und der dargestellten Entstehungsgeschichte des 22 Abs. 3 bzw. des 7 MDStV kein Zweifel daran, dass auch Access-Provider als Nichtverantwortliche im Sinne des 7 MDStV Adressaten einer Sperrverfgung gem 22 MDStV sein knnen.

Auch der Einwand, die Ttigkeit eines Access-Providers falle grundstzlich in den Anwendungsbereich des Telekommunikationsgesetzes, fhrt zu keinem anderen Ergebnis. Die Vermittlung des Zugangs und damit der Kenntnisnahme von Inhalten im Internet ist zwar grundstzlich als Telekommunikationsdienstleistung einzuordnen. Dies schliet es nach dem eindeutigen Wortlaut des 22 Abs. 3 MDStV und des 7 MDStV aber nicht aus, ihn zugleich auch als Diensteanbieter von fremden Inhalte im Sinne des MDStV zu verstehen.

Vgl. Meier, in: Ronagel, a.a.O., 3 MDStV, Rdnr. 18; Vesting, in Ronagel, a.a.O., 18 MDStV Rdnr. 38 ff.; Spindler/Volkmann, a.a.O., S. 399; Zimmermann, a.a.O., S. 3149; Holznagel/Kussel, Mglichkeiten und Risiken bei der Bekmpfung rechtsradikaler Inhalte im Internet, MMR 2001, 347 (351);.a.A. Hoeren, a.a.O., S. 2.; Koenig/Loetz, a.a.O., Stadler, S. 344.


e) Die Verfgung ist auch hinreichend bestimmt, 37 Abs. 1 VwVfG NRW. Hinreichende Bestimmtheit bedeutet, dass die getroffene Anordnung so vollstndig, klar und unzweideutig erkennbar sein muss, dass die Beteiligten ihr Verhalten danach richten knnen. Insoweit ist im vorliegenden Fall ausreichend, dass die Behrde das zu erreichende Ziel festlegt und dem Ordnungspflichtigen die Wahl berlsst, auf welchem Wege er seine Pflicht erfllt.

Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl. 37 Rdnr. 16; BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 – 4 C 45.87 -, BVerwGE 84, 354, 358.


Die Sperrverfgung bestimmt die Sperrung der streitigen Seiten eindeutig als Ziel. Dass sie mehrere technische Mglichkeiten zur Sperrung der beiden Seiten aufzeigt, ist nicht zu beanstanden.

f) Die Anordnung der Sperrung ist bei summarischer Prfung auch ermessensfehlerfrei erfolgt.

Ein Einschreiten nach 22 Abs. 3 MDStV steht entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin im Ermessen der Aufsichtsbehrde. Zwar besteht fr Manahmen nach 22 Abs. 2 MDStV kein Entschlieungsermessen. Gem Satz 1 dieser Vorschrift trifft die zustndige Aufsichtsbehrde die zur Beseitigung der bezeichneten Verste gegen die Bestimmungen des Mediendienstestaatsvertrages erforderlichen Manahmen gegenber dem Diensteanbieter. Sie kann nach Satz 2 insbesondere Angebote untersagen und deren Sperrung anordnen. Die Stze 3 bis 5 schrnken die Befugnis zur Untersagung insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Verhltnismigkeit ein. Die zustndige Behrde ist demnach zum Handeln nach 22 Abs. 2 MDStV verpflichtet, sofern sie von Versten Kenntnis erlangt.

Vgl. dazu Vesting, a.a.O., 18 MDStV, Rdnr. 32.; Greiner, Die Verhinderung verbotener Internetinhalte im Wege polizeilicher Gefahrenabwehr, S. 135.


Eine vergleichbare Pflicht zum Einschreiten besteht jedoch nicht auf der Grundlage des 22 Abs. 3 MDStV. Nach dieser Bestimmung "knnen" Aufsichtsmanahmen auch gegen den Diensteanbieter von fremden Inhalten nach den 7 bis 9 MDStV gerichtet werden, wenn sich Manahmen nach 22 Abs. 2 MDStV gegenber dem Verantwortlichen nach 6 Abs. 1 MDStV als nicht durchfhrbar oder erfolgsversprechend erweisen. Der Wortlaut des 22 Abs. 3 MDStV rumt der Aufsichtsbehrde ein Ermessen auch in Bezug auf das "Ob" der Inanspruchnahme des dort genannten Adressatenkreises ein.

Die Antragsgegnerin hat dieses Ermessen zumindest der Sache nach ausgebt. Zwar fhrt sie im Widerspruchsbescheid auf S. 12. f. aus, es bestehe kein Entschlieungsermessen zum Einschreiten bei Versten gegen die Bestimmungen des Mediendienste-Staatsvertrages. Jedenfalls aber die weiteren (Hilfs-)Erwgungen der Antragsgegnerin zur "unverzichtbaren" Inanspruchnahme der Antragstellerin auf der Grundlage der 14 OBG sowie zur Verhltnismigkeit der Verfgung begrnden ausreichend, weshalb die Antragsgegnerin eingeschritten ist und sich fr die Heranziehung der Antragstellerin entschieden hat. Diese berlegungen tragen auch ein ermessensfehlerfreies Einschreiten auf der Grundlage des 22 Abs. 3 MDStV.

Ob im vorliegenden Verfahren berhaupt Raum fr eine Ermessensabwgung verblieben ist, weil der Staat einen - hier gegebenen - Versto gegen die Menschenwrde (Art. 1 Abs. 1 GG) allenfalls unter besonderen Umstnden hinnehmen kann, ihn vielmehr im Regelfall unterbinden muss,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 6 C 3.01 - BVerwGE 115, 189 (202),


kann daher im vorliegenden Verfahren dahinstehen.

bb) Sonstige Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Gegen die Verhltnismigkeit der Verfgung bestehen keine offenkundigen Bedenken, insbesondere ist die Sperrung bei summarischer Prfung fr die Antragstellerin technisch mglich und ihr zumutbar im Sinne des 22 Abs. 3 MDStV. Hiervon ist auch dann auszugehen, wenn 22 Abs. 3 MDStV dahin auszulegen sein sollte, dass in Anlehnung an das allgemeinen Ordnungsrecht und der Qualifizierung eines Access-Providers als Nichtstrer dieser nur ausnahmsweise bei einer erheblichen gegenwrtigen Gefahr in Anspruch genommen werden knnte.

Vgl. Spindler/Volkmann, a.a.O., S. 404.


(1) Die unter anderem von der Antragsgegnerin aufgezeigte Mglichkeit der sog. DNS-Sperrung ist offenkundig gegeben. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Antragstellerin selbst so (vorlufig bis zur Entscheidung ber den vorliegenden Antrag) mit Erfolg verfahren ist. Zahlreiche andere Provider sind der Sperrverpflichtung nach den Angaben der Antragsgegnerin ebenfalls auf diesem, aber auch auf anderem technischen Wege nachgekommen.

Ernsthafte Zweifel an der Geeignetheit der Manahme bestehen auch im brigen nicht. Eine Manahme ist bereits dann geeignet, wenn durch sie eine Frderung des gewnschten Erfolgs mglich ist bzw. sie einen Beitrag zu dessen Erreichen leistet. Eine vollstndige Gefahrenabwehr ist nicht Voraussetzung. Es muss sich um einen "Schritt in die richtige Richtung" handeln.

Zutreffend VG Gelsenkirchen, a.a.O., S. 8 f.; VG Dsseldorf, a.a.O., S. 21; Spindler/Volkmann, a.a.O, S. 496; Greiner, Sperrungsverfgungen als Mittel der Gefahrenabwehr im Internet, CR 2002, 620 (621).


Da es auf die Eignung zur Sperrung der beiden Webseiten ankommt, ist es unerheblich, dass eine steigende Anzahl rechtswidriger Inhalte im Internet zu verzeichnen ist.

So aber Hoeren, a.a.O., S 3.


Die Sperrung durch Access-Provider betrifft ein weites Publikum. Die Verfgung wird einer Vielzahl geschftlicher oder privater Nutzer den unmittelbaren Zugriff auf die Webseiten zumindest in zeitlicher und technischer Hinsicht erschweren. Dass es dennoch - mit aus der Sicht vieler Nutzer einfachen Mitteln - mglich ist, die Seiten zu erreichen, drfte im Ergebnis unschdlich sein. Gleichwohl werden viele Nutzer die vorhandenen Mglichkeiten zur Umgehung der Sperrung nicht kennen oder als zu aufwendig nicht nutzen. Eine vollstndige Ausschaltung der Gefahr durch Sperrungen ist ohnehin praktisch unmglich, da im Internet mannigfaltige Mglichkeiten zur Umgehung bestehen.

Vgl. Spindler/Volkmann, a.a.O., S. 405 f; Zimmermann, a.a.O., 3150; Greiner, a.a.O., S. 621 f.; vgl. auch Mankowski, Die Dsseldorfer Sperrungsverfgung – alles andere als rheinischer Karneval, MMR 2002, 277.


(2) Die Sperrungsverfgung ist auch erforderlich. Erforderlich ist eine Manahme, wenn sie von mehreren mglichen und voraussichtlich gleich wirksamen Manahmen diejenige trifft, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeintrchtigt.

Es ist - wie dargelegt - nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin mit Erfolg gegenber den fr die Seiten Verantwortlichen vorgehen oder ein Einschreiten veranlassen kann. Die Mglichkeit des Einsatzes der von der Antragstellerin angefhrten Filtersoftware ist - wie die Antragsgegnerin vorgetragen hat - abhngig von der Mitwirkung der Content-Provider, die ihre Seiten freiwillig selbst bewerten und indizieren mssten. Von einer Bereitschaft hierzu kann im vorliegenden Verfahren nicht ausgegangen werden. Zudem msste hierfr jeder einzelne Nutzer Software installieren. Die Bereitschaft dazu drfte gering sein. Es entspricht auch nicht Sinn und Zweck der Regelungen des MDStV, dass der einzelne Nutzer selbst aktiv werden muss, um vor unzulssigen Inhalten geschtzt zu werden. Es geht der Antragsgegnerin zu Recht nicht darum, lediglich einen Schutz vor ungewollter Konfrontation mit den beiden Webseiten zu gewhrleisten. Vielmehr soll gegen die Verbreitung strafrechtlich relevanter Inhalte vorgegangen werden. Auch die von der Antragstellerin angesprochene Frderung des kritischen Umgangs mit rechtsradikalen Seiten ist nicht geeignet, das von der Antragsgegnerin verfolgte Ziel, den Zugang zu den beiden Seiten zu verhindern, zu erreichen.

(3) Die Sperrverfgung ist auch zumutbar bzw. angemessen. Hierbei sind die gegenteiligen Interessen der Betroffenen zu bercksichtigen, die um so schtzenswerter erscheinen, je strker der Schutzbereich eines Grundrechts betroffen ist.

Ein Versto gegen Art. 3 Abs. 1 GG, den die Antragstellerin im Hinblick auf das (bisherige) Nichtvorgehen gegen Access-Provider in anderen Bundeslndern rgt, scheidet bereits deshalb aus, weil jeder Trger ffentlicher Gewalt den allgemeinen Gleichheitssatz nur innerhalb seiner eigenen Zustndigkeit beachten kann.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619 und 1628/83 -, BVerfG 79, S.127 (158); Osterloh, in: Sachs, Grundgesetz, 2. Auflage 1999, Art. 3 Rz. 81 f. m.w.N.


Innerhalb ihres Zustndigkeitsbereichs ist die Antragsgegnerin gegen alle Access-Provider vorgegangen, wie sie im Beschwerdeverfahren nochmals dargelegt hat.

Die Sperrverfgung greift auch nicht unverhltnismig in die Berufsausbungsfreiheit (Art 12 GG) oder das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewhrleistete Recht am eingerichteten und ausgebten Gewerbebetrieb der Antragstellerin ein. Der von ihr geschilderte – relativ geringe – Aufwand fr die bereits erfolgte Sperrung steht ersichtlich nicht auer Verhltnis zu dem angestrebten Erfolg, den Zugang zu den unzulssigen Inhalten der Webseiten zu verhindern bzw. zu erschweren. Die Antragstellerin hat auf S. 60 f. ihrer Beschwerdebegrndung, GA Bl. 388 f., ausgefhrt, dass fr die Sperrung von nur zwei Domain-Namen die Anschaffung neuer Hardware nicht erforderlich gewesen sei. Sie habe zur Umsetzung der Sperrung die Eintrge in den Konfigurationsdateien ihrer drei Domain-Name-Server jeweils editieren mssen, wofr zwei Arbeitsstunden erforderlich gewesen seien. Auch der weiterhin geschilderte Aufwand fr den Entscheidungsfindungsprozess, die Erstellung und Hinterlegung einer Informationsseite, den Neustart der Systeme, eine Browserkontrollanfrage und die Beantwortung von Kundenanfragen lsst keine erhebliche Belastung erkennen. Diesem relativ geringen Aufwand stehen schwerwiegende Rechtsgutbeeintrchtigungen, denen entgegen getreten werden soll, gegenber. Die beiden zu sperrenden Seiten erfllen wie dargelegt Straftatbestnde, verletzen die Menschenwrde, stren den ffentlichen Frieden und sind jugendgefhrdend.

Vgl. Greiner, a.a.O., S. 623.


Ob auch die weiteren von der Antragsgegnerin aufgezeigten Sperrungsmglichkeiten verhltnismig sind, bedarf unter den hier gegebenen Umstnden keiner Entscheidung. Die Antragsgegnerin hat ausdrcklich hervorgehoben, dass sie insbesondere eine Sperrung durch Ausschluss von Domains im Domain-Name-Server fr ausreichend erachte. Diese Methode ist nach Auffassung der Beteiligten offenbar mit dem geringsten Aufwand verbunden. Die Antragstellerin hat von dieser Mglichkeit - wie dargelegt - auch bereits Gebrauch gemacht. Auf die Verhltnismigkeit der brigen Mittel kommt es daher im vorliegenden Verfahren nicht an.

Soweit die Antragstellerin geltend macht, es sei ihr unklar, wie sichergestellt werden solle, dass die Sperrungen nicht lnger als ntig eingesetzt blieben, damit nicht der Zugriff auf vllig harmlose Seiten gesperrt wrde, sind keine schutzwrdigen Interessen der Antragstellerin ersichtlich. Sie kann sich vielmehr gegenber Dritten auf die durch die angefochtene Verfgung ausgesprochene Verpflichtung zur Sperrung berufen. Es ist insoweit unter Umstnden Sache der Antragsgegnerin, auf eine genderte Sachlage zu reagieren.

Bei summarischer Prfung ist auch nicht ersichtlich, aus welchen Grnden die Antragsgegnerin - wie die Antragstellerin meint - durch die vorgelegte Entschlieung des Europischen Parlaments in Bezug auf den Jugendschutz und den Schutz der Menschenwrde oder durch das am 23. November 2001 zur Unterschrift ausgelegte bereinkommen des Europarates zur Datennetzkriminalitt (Cybercrime-Konvention) gebunden ist oder inwieweit diese der Sperrverfgung entgegenstehen knnten. Die Einschtzung der Antragstellerin, dass auf internationaler Ebene der Verbreitung rechtswidriger Inhalte im Internet am effektivsten begegnet werden knnte, mag zutreffen, schliet aber ein nationales Vorgehen nicht aus, zumal nicht absehbar ist, wann und in welchem Umfang der Verbreitung unzulssiger Inhalte im Internet auf internationalem Wege entgegen getreten werden wird.

Der Umstand, dass es sich nach Auffassung der Antragstellerin um einen Przedenz- oder Musterfall handele, fhrt zu keiner anderen Bewertung der angegriffenen Verfgung. Entgegen ihrer Annahme ist im vorliegenden Verfahren nicht zu bercksichtigen, wie sich eine Vielzahl von Sperrungsverfgungen gleicher Art auf ihre Betriebsablufe auswirken wrde. Abgesehen davon, dass fr eine weitere Inanspruchnahme der Antragstellerin derzeit keine konkreten Anhaltspunkte bestehen, ist hier nur ber die Verhltnismigkeit der konkret im Streit befindlichen Manahmen zu befinden. Es wird Sache der Antragsgegnerin sein, die Zumutbarkeit weiterer Sperrverfgungen zu prfen. Erst in knftigen Verfahren werden sich die Fragen stellen, ob die Praxis der Aufsichtsbehrden zu einer unzulssigen Umkehrung des "Regel/Ausnahmeprinzips" bzw. des Subsidiarittsgrundsatzes des 22 Abs. 2 und 3 MDStV fhrt und welche Anforderungen im Einzelnen an die Zumutbarkeit einer Inanspruchnahme eines Access-Providers unter Bercksichtigung ihrer "Gesamtbelastung" zu stellen sein werden.

Vgl. Spindler/Volkmann, a.a.O., 404.


Sonstige in die Abwgung einzustellende Belange, wie das Allgemeininteresse an einem ungehinderten Datenverkehr, die Einschrnkung eines vollwertigen Internetzugriffs, Beeintrchtigungen des Waren- und Dienstleistungsverkehrs sowie eine Hemmung der Entwicklung des e-commerce,

vgl. Stadler, a.a.O. S. 346,


sind bei der Sperrung der beiden rechtsradikalen Webseiten durch die Vernderung des DNS-Eintrags nicht oder nicht in relevantem Umfang berhrt. Schlielich ist die Frage, ob der Antragstellerin ein Entschdigungsanspruch zusteht, im vorliegenden Verfahren ohne Belang.

g) Zu einem anderen Ergebnis wird entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht das Inkrafttreten des Staatsvertrages ber den Schutz der Menschenwrde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz- Staatsvertrag - JMStV) vom 22. September 2002 (GV NRW 2003, S. 84) zum 1. April 2003 fhren. Die Rechtmigkeit der Verfgung wrde durch einen etwaigen Wechsel der Zustndigkeit schon nicht berhrt. Der nach 20 Abs. 1 JMStV zustndigen Landesmedienanstalt stnden im brigen fr die vorliegende Fallkonstellation sachlich vergleichbare Eingriffsbefugnisse zu, 20 Abs. 1 und 4 JMStV, 4 JMStV, 22 Abs. 2 und 3 MDStV.

2. Ist nach den vorstehenden Erwgungen die Rechtmigkeit oder Rechtswidrigkeit der Verfgung im vorliegenden Verfahren nicht abschlieend zu klren, fllt die weitere Abwgung des ffentlichen Interesses an einer sofortigen Vollziehung der Verfgung der Antragsgegnerin gegenber dem Interesse der Antragstellerin, der an sie gerichteten Anordnung bis zur abschlieenden Entscheidung in der Hauptsache nicht nachkommen zu mssen, zuungunsten der Antragstellerin aus.

Der Umstand, dass das Verwaltungsverfahren bereits seit ber einem Jahr luft, lsst das ffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung nicht entfallen. Ungeachtet des Hinweises der Antragsgegnerin darauf, dass sie zunchst auf Selbstregulierungsmanahmen seitens der Provider gesetzt habe, hat der Senat eine eigenstndige Bewertung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen. Diese hngt nicht entscheidend davon ab, wie lange und aus welchen Grnden eine Behrde von einer Vollziehungsanordnung abgesehen hat.

Der Antragstellerin ist es zuzumuten, die Sperrung bis auf Weiteres aufrechtzuerhalten. Durch die Webseiten werden Straftatbestnde verwirklicht und bedeutende Rechtsgter beeintrchtigt. Das Gewicht der betroffenen Interessen der Antragstellerin ist - wie dargelegt - demgegenber derart gering, dass die Klrung der Rechtsfragen im Hauptsacheverfahren nicht abgewartet werden muss. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann insoweit auf die Ausfhrungen zur Zumutbarkeit der Sperrverfgung verwiesen werden. Dass ihr im Zusammenhang mit der Sperrung ein beachtlicher Verlust an Kunden drohen knnte, trgt sie nicht vor und ist auch sonst nicht ersichtlich. Ein Groteil aller Internet-Nutzer in Deutschland mag (noch) ber Provider in anderen Bundeslndern, insbesondere ber die beiden grten Anbieter B. [...] und U.-P. [...], weiterhin ungehinderten Zugriff auf die beiden Internetangebote haben. Nach den Erkenntnissen des Senats ist bei U.-P. [...] der Zugriff auf beide Seiten und bei B. [...] der Zugriff auf die Seite "[...]" nicht gesperrt. Dies lsst das ffentliche Interesse an einer wenn auch (zunchst nur) geringfgigen Einschrnkung des Zugangs zu diesen Seiten fr die Nutzer der in Nordrhein- Westfalen ansssigen Access-Provider nicht entfallen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG. Nach 13 Abs. 1 Satz 1 GKG ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag der Antragstellerin fr sie ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der bisherige Sach- und Streitstand hierfr keine gengenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 4000,-- Euro anzunehmen. Im Hinblick auf den vorlufigen Charakter des vorliegenden Verfahrens legt der Senat die Hlfte dieses Betrages zugrunde. Eine hhere Festsetzung des Streitwertes ist nicht gerechtfertigt. Die konkrete Bedeutung der Sache fr die Antragstellerin ist auch unter Bercksichtigung des geschilderten Aufwandes nicht hher zu bewerten. Gerade der von den Bevollmchtigten der Antragsgegnerin angestellte Vergleich mit dem im Streitwertkatalog vorgeschlagenen Streitwert in Verfahren, die eine Gewerbeerlaubnis zum Gegenstand haben, macht deutlich, dass die Bedeutung des Verfahrens ber die Rechtmigkeit einzelner Sperrverfgungen wesentlich geringer zu veranschlagen ist.

Dieser Beschluss ist gem. 152 Abs. 1 VwGO, 25 Abs. 3 Satz 2 GKG unanfechtbar.


[gez.]


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