Zur Unverzglichkeit einer Gegendarstellung
auf ein alle drei Wochen verbreitetes TV-Magazin
Oberlandesgericht Stuttgart
- 4. Zivilsenat -
Beschlu
vom 08. Juni 2000
In Sachen
1. Die Beschwerde des Antragstellers vom 19.04.2000 gegen den Beschluss der 17. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 05.04.2000 - 17 O 177/2000 - wird
2. Der Antragsteller trgt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.Beschwerdewert: 15.000,- DM.
Grnde:
I.
Die Beschwerde gegen den den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfgung zurckweisenden Beschluss des Landgerichts ist nach 567 Abs. 1 ZPO statthaft und auch im brigen zulssig.
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II.
Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Erlass der einstweiligen Verfgung zu Recht abgelehnt. Der Antragsteller hat nach Auffassung des Senats keinen Anspruch aus 10 des Staatsvertrags ber den Sdwestrundfunk vom 31.05.1997 (Gesetzblatt Baden-Wrttemberg 1997, 300) auf Verbreitung der im Haupt- und Hilfsantrag wiedergegebenen Gegendarstellungen.
1. Zum Hauptantrag: Ein Anspruch auf Verbreitung der mit dem Hauptantrag verfolgten Gegendarstellung besteht nicht. Denn der Antragsteller hat dem Antragsgegner nicht unverzglich im Sinne des 10 Abs. 3 Satz 3 SWR-Staatsvertrag eine ordnungsgeme Gegendarstellung zugeleitet. Hierfr ist erforderlich, dass dem Anspruchsverptlichteten ohne schuldhaftes Zgern, innerhalb der Ausschlussfrist von zwei Monaten und der Aktualittsgrenze eine Gegendarstellung bersandt wird, die sowohl formell wie auch inhaltlich allen Anforderungen entspricht (OLG Hamburg, AfP 1981, 410; OLG Hamburg, AfP 1985, 216; Seitz/Schmidt/Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl., 1998, Rn. 144 m.w.Rechtsprechungsnachweisen; Lffler/Sedelmeier, Presserecht, 4. Aufl., 1997, 11 LPG, Rn. 157).
Diese Voraussetzungen erfllt die mit dem Hauptantrag verfolgte Gegendarstellung nicht.
a) Zwar ist diese Gegendarstellung vom 30.03.2000 sowohl formell als auch inhaltlich ordnungsgem. Sie ging dem Antragsgegner auch unstreitig im Original zu, so dass es insoweit keiner Glaubhaftmachung durch den Antragsteller bedurfte.
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b) Allerdings geschah dies nicht unverzglich im Sinne des 10 Abs. 3 Satz 3 SWR-Staatsvertrag. Unverzglich bedeutet nach der Legaldefinition des 121 Abs. 1 BGB "ohne schuldhaftes Zgern". Ob der Betroffene ohne schuldhaftes Zgern auf die Verbreitung der Gegendarstellung hingewirkt hat, beurteilt sich nach heute ganz herrschender Meinung, der sich der Senat anschliet, nach den Umstnden des Einzelfalles. Die frher vielfach vertretene starre Zwei-Wochen-Frist (vgl. z.B. OLG Hamburg, NJW 1967, 159) ist sptestens seit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 08.02.1983 (AfP 1983, 334) nicht mehr haltbar und wird auch heute - soweit ersichtlich - nicht mehr vertreten. Fr die gebotene Einzelfallentscheidung ist einerseits das Interesse des Betroffenen an einer angemessenen berlegungsfrist zu bercksichtigen, andererseits das Interesse der Medien an der Aktualitt ihres Inhalts (Seitz/Schmidt/Schoener, aaO, Rn. 132; Lffler/Sedelmeier, aaO, 11 LPG, Rn. 159; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Aufl., 1994, Rn. 11.156 jeweils mit Rechtsprechungsnachweisen). Bedeutung hat in diesem Zusammenhang auch, in welchen Intervallen die betreffende Sendung ausgestrahlt wird, und dass gesendete Darstellungen im allgemeinen schneller inaktuell werden als gedruckte (Wenzel, aaO, Rn. 11.157 und 11.161).
Unter Bercksichtigung dieser Grundstze ist der Senat der Auffassung, dass der Antragsteller im vorliegenden Fall innerhalb von zwei Wochen nach Kenntniserlangung vom Inhalt der beanstandeten Sendung zu einer Entscheidung htte kommen knnen und reagieren mssen. Da der Antragsteller vom Inhalt der Sendung sptestens am 03.03.2000 Kenntnis hatte, htte er dem Antragsgegner bis sptestens 17.03.2000 eine formell und inhaltlich ordnungsgeme Gegendarstellung zuleiten mssen. Das folgert der Senat daraus, dass der Antragsteller nach Beratung mit seinem Anwalt bereits am 13.03.2000 entschieden hatte, den Antragsgegner auf Verbreitung einer Gegendarstellung in Anspruch zu nehmen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Antragsteller den Sachverhalt soweit ermittelt, dass ihm die Formulierung einer Gegendarstellung mglich war, die er dem Antragsgegner mit Schreiben vom
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13.03.2000 im Entwurf und ohne Unterschrift seiner gesetzlichen Vertreter per Telefax bermittelt hat. Bei dieser Sachlage wre es dem Antragsteller mglich und zumutbar gewesen, die endgltige Fassung der Gegendarstellung innerhalb der Zwei-Wochen-Frist, also bis sptestens 17.03.2000, dem Antragsgegner zuzuleiten. Eine lngere Frist kann dem Antragsteller nicht zugebilligt werden. Denn die beanstandete Sendung "Report" des Antragsgegners wird im dreiwchigen Turnus ausgestrahlt, so dass die nchste Sendung bereits am 20.03.2000 anstand. Bei einem weiteren Zuwarten wre die Verbreitung der Gegendarstellung frhestens bei der nchsten Sendung am 10.04.2000 mglich gewesen, wodurch aber nach Auffassung des Senats die Aktualittsgrenze, die bei einer gesendeten Darstellung enger zu ziehen ist als bei einem Druckwerk, berschritten worden wre.
Soweit der Antragsteller behauptet, bei Bemessung der Frist sei auch zu bercksichtigen, dass sich die Parteien in Vergleichsverhandlungen befunden htten, vermag der Senat diese Behauptung nicht nachzuvollziehen. Denn der Antragsgegner hat nach Erhalt des Entwurfs der Gegendarstellung vom 13.03.2000 mit Schreiben vom 15.03.2000 lediglich mitgeteilt, dass er eine Stellungnahme abgebe, sobald das Gegendarstellungsverlangen in der gesetzlich vorgeschriebenen Form vorliege. In einem weiteren Schreiben vom 15.03.2000 hat der Antragsgegner dem Antragsteller zu Bedenken gegeben, ob das angekndigte juristische Vorgehen dem Interesse des Antragstellers gerecht wird. Der Senat vermag in diesen Schreiben keinen Eintritt in irgendwie geartete Vergleichsverhandlungen zu sehen, so dass es bei der Zwei-Wochen-Frist zu verbleiben hat. Diese Frist hat der Antragsteller mit seiner Gegendarstellung vom 30.03.2000 nicht eingehalten. Sie ist deshalb dem Antragsgegner nicht unverzglich i.S.d. 10 Abs. 3 Satz 3 SWR-Staatsvertrag zugeleitet worden.
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c) Die Frist wurde auch nicht durch die vorangegangenen Gegendarstellungen des Antragstellers gewahrt. Dabei kann dahinstehen, ob durch formell oder materiell fehlerhafte Gegendarstellungen das Unverzglichkeitsgebot gewahrt werden kann, wenn neue, berarbeitete Gegendarstellungen jeweils unverzglich nach Zurckweisung der vorhergehenden dem Anspruchsgegner zugeleitet werden (so z.B. Wenzel, aaO, Rn. 11.162; Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 571 jeweils mit Rechtsprechungsnachweisen). Denn die Gegendarstellung vom 13.03.2000 stellt lediglich einen Entwurf dar, den der Prozebevollmchtigte des Antragstellers ohne Unterschrift per Telefax bermittelt hat, wobei er im Begleitschreiben vom 13.03.2000 ausdrcklich darauf hinwies, dass diese Gegendarstellung noch vom Antragsteller zu vollziehen bzw. zu redigieren sei. Mit diesem Entwurf einer Gegendarstellung konnte das Unverzglichkeitsgebot nicht gewahrt werden.
Die Gegendarstellung vom 20.03.2000, die dem Antragsgegner im Original am 22.03.2000 zuging, war dagegen schon verfristet, ohne dass es darauf ankme, ob diese Gegendarstellung per Telefax wirksam zugeleitet werden konnte. Denn das Telefax hat der Antragsgegner am 20.03.2000 erhalten, also ebenfalls nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist. Der Antragsteller konnte somit auch mit den vorangegangenen Gegendarstellungen das Unverzglichkeitsgebot des 10 Abs. 3 Satz 3 SWR-Staatsvertrag nicht wahren. Bereits aus diesem Grund hat das Landgericht hinsichtlich des Hauptantrags den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfgung zu Recht zurckgewiesen.
2. Zum Hilfsantrag:
Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Verbreitung der mit dem Hilfsantrag verfolgten Gegendarstellung.
Abgesehen davon, dass auch diese Gegendarstellung vom 20.03.2000 nicht unverzglich dem Antragsgegner zugeleitet wurde, da sie erst nach Ablauf der
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vorgenannten Zwei-Wochen-Frist, nmlich am 20.03.2000 per Telefax bzw. am 22.03.2000 im Original dem Antragsgegner zugegangen ist, ist sie auch inhaltlich fehlerhaft. Denn die Gegendarstellung richtet sich gegen einen tatschlichen Eindruck, der mit der Erstberichterstattung erweckt worden sein soll. Daher wre es erforderlich gewesen, in der Erstmitteilung die einzelnen Behauptungen konkret zu bezeichnen, auf die dieser Eindruck gesttzt wird (Seitz/Schmidt/Schoener, aaO, Rn. 208; Lffler/Sedelmeier, aaO, 11 LPG, Rn. 99; LG Kln, AfP 1995, 684). Daran fehlt es hier. Der Antragsteller hat in der Erstmitteilung seiner Gegendarstellung vom 20.03.2000 keinerlei Tatsachen mitgeteilt, die die behaupteten Eindrcke, dass Rassismus und Antisemitismus zur Pdagogik der Waldorfschule gehre, dass Kinder jdischer Eltern aufgrund der rassistischen und antisemitischen Pdagogik von der Schule genommen wrden und dass Lehrer der Waldorfschulen ganz bestimmte uerungen verbreiten, erweckt haben sollen, obwohl sich aus der Gegendarstellung vom 30.03.2000 ergibt, dass diese Eindrcke aufgrud ganz konkreter uerungen entstanden sein sollen, nmlich aufgrund eines Zitats des Sprechers einer Schweizer Brgerinitiative, einem Stateman [sic] von Samuel Althoff von der "Aktion Kinder des Holocaust" sowie die im unmittelbaren Anschluss an dieses Statemants [sic] gestellte Frage: "Rassismus und Antisemitismus in der Waldorfpdagogik". Insofern unterscheidet sich der hier vorliegende Sachverhalt von dem vom Landgericht Kln (AfP 1995, 684) entschiedenen Fall, wo sich der Eindruck erst im Zusammenhang mit der bildlichen Wiedergabe ergab.
Die Gegendarstellung vom 20.03.2000 ist deshalb zu unbestimmt und damit inhaltlich fehlerhaft. Wegen des "Alles-oder-Nichts-Prinzips" (Rechtsprechungsnachweise bei Prinz/Peters, aaO, Rn. 447, Fn. 30), ist es dem Senat verwehrt, die Gegendarstellung so zu ergnzen, dass sie den Anforderungen des 10 SWR-Staatsvertrags entspricht. Daher musste auch der Hilfsantrag zurckgewiesen werden.
Die Beschwerde des Antragstellers konnte somit keinen Erfolg haben.
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf 97 Abs.1 ZPO.
[gez.]
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