Medien

"Kein Ort fr niedere Instinkte"

Kampf gegen Internet-Kriminalitt: BKA setzt auf Provider

Von Monika Ermert

"Kein Broversehen" sei der Entwurf einer Selbstverpflichtungserklrung gewesen, die das Bundeskriminalamt (BKA) mit einer Einladung an 117 deutsche Internet-Service-Provider (ISP) verschickt hat. Denn die „Bekmpfung von Kriminalitt im Internet“ knne nicht allein auf den Schultern der Strafverfolgungsbehrden abgeladen werden, sagte der Direktor des BKA, Leo Schuster, bei einer Veranstaltung seiner Wiesbadener Behrde fr Netzdienstleister, Ermittler und Datenschtzer.

Vor allem die Verbreitung von Kinderpornographie ber das weltweite Datennetz macht der Polizei zu schaffen. Bei ihren verdeckten Streifengngen im Internet, berichtet Heinz Fiehl vom Bayrischen Landeskriminalamt, hat seine Dienststelle 1997 in 28 Fllen strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Insgesamt 720 Vorgnge im Bereich Kinderpornographie innerhalb des letzten Jahres meldet das BKA. Auch „ohne expliziten gesetzlichen Auftrag“ sollten deshalb die Netzdienstleister mithelfen, „Mibrauchsmglichkeiten im Internet einzuschrnken“, schrieb das BKA in seinem Vorschlag einer Selbstverpflichtungserklrung. Im Rahmen ihrer „rechtlichen und tatschlichen“ Mglichkeiten sollten die ISPs verhindern, da „strafbare Inhalte angeboten und zur Nutzung vermittelt“ wrden.

Wie sie einer solchen Forderung nachkommen sollen, darber herrscht bei Service-Providern wachsende Unsicherheit. Dem Wunsch der Ermittler, den digitalen Spuren Verdchtiger im Internet zu folgen, stehen die Bestimmungen des Teledienstedatenschutzgesetzes gegenber. Demzufolge drfen die Provider Aufzeichnungen von Nutzungsdaten ihrer Kunden nur beschrnkt zu Abrechnungszwecken speichern. Wer aber wann welche Daten versandt oder erhalten hat, fllt nach derzeitiger Rechtslage unter das Telekommunikationsgeheimnis.

Bei Vorliegen eines richterlichen Beschlusses, sagte der Vorsitzende des Electronic Commerce Forum, Rechtsanwalt Michael Schneider, bergeben viele Provider diese Daten den ermittelnden Behrden. Schneider wehrte gegen die Vorwrfe, da die Provider sich nicht um ein sauberes Netz bemhten.

Reine Polemik nannte Schneider deshalb den Vorwurf des bayerischen Internet-Polizisten, das Internet sei der „grte Ort niederer Instinkte“. „Wir haben die freiwillige Selbstkontrolle Multimedia (FSM) eingerichtet. Es gibt die Initiative Jugendschutz.net und innerhalb des europischen Verbands der Internet Service-Provider wird bestndig ber Codes of Conduct nachgedacht“, hob der Interessenvertreter der Netzdienstleister hervor.

„Selbstkontrollmanahmen und Hotlines drfen nicht dazu fhren, da Internet-Service-Provider und Nutzer in zunehmendem Mae Polizeiaufgaben bernehmen“, warnte bereits in der vergangenen Woche der "Frderverein Informationstechnik und Gesellschaft" (Fitug). Die Verfolgung von Straftaten und die hufig schwierige Beurteilung von Inhalten als rechtswidrig und jugendgefhrdend msse den zustndigen Behrden berlassen werden. Jegliche Manahme von ISP und Service-Providern finde letztlich ihre Grenze in den Rechten der Nutzer und den gesetzlichen und vertraglichen Pflichten der Provider.

Die Fitug rgte die Politik des BKA, die einem notwendigen breiten Dialog aller beteiligten Gruppen gezielt aus dem Weg gegangen sei. Kritiker frchten auch angesichts groangelegter berwachungsprojekte wie Echelon in den USA oder Enfopol fr die EU, da vor allem unbedarfte normale Nutzer Opfer von Bespitzelung werden. Letztlich knnte dies zu einem digitalen Wettrsten zwischen Nutzern und Behrden fhren.

BKA-Chef Schuster widersprach heftig: Keinesweg wolle man die Provider zu Hilfspolizisten machen. „Teilen Sie uns einfach mit, wenn Ihnen etwas auffllt.“, appellierte Jrgen Graf, Oberstaatsanwalt beim BGH, an die Internet-Unternehmen. Ein stndiger Dialog, vor allem auch zu den technischen Fragen, soll das gespannte Verhltnis zwischen beiden Seiten verbessern.

Den BKA-Vorschlag einer Selbstverpflichtung haben die Netzdienstleister mit einem Gegenentwurf beantwortet. Darin fordern sie von den Ermittlungsbehrden nicht nur, ihnen sachverstndige Ansprechpartner zu nennen, sondern auch das Verfahren, wie die Provider die Stafverfolgungsbehrden untersttzen sollten, klar zu definieren.

Doch in Wiesbaden blieben Entwurf wie Gegenentwurf in den Schubladen. „Wir hatten nicht eigentlich vor, mit der vorgelegten Selbstverpflichtung zu einem abschlieenden Ergebnis zu kommen,“ sagte Leo Schuster. Wichtig sei es gewesen, die zwei Seiten in diesem „ausbalancierten System“ zusammenzubringen. Deshalb wird nun eine Arbeitsgruppe eingerichtet, an der neben Ermittlungsbehrden, Providern und Onlinediensten auch die zustndigen Ministerien beteiligt werden sollen. Da fragt sich, ob bei der Formulierung mglicher konzertierter berwachung die dritte Seite auen vor bleibt - der normale Netzbesucher.


FRANKFURTER RUNDSCHAU, 17.12.1998