> artikel5 > aufsaetze.html > bgh-uce.html
Zusendung unverlangter Massen-eMails
Rechtslage und Rechtsschutzmglichkeiten
von Dr. Patrick Mayer
bersicht:
LG Berlin: Verletzung des allgemeinen Persnlichkeitsrechts ( 823 BGB) durch Zusendung unverlangter Werbe-Emails
LG Traunstein: Beschlsse zur Wettbewerbswidrigkeit unverlangter Werbe-Emails
BGHZ 103, 203: Wettbewerbswidrige Belstigung durch Werbung im Btx-Mitteilungsdienst:
Sachverhalt
Grnde
Anmerkung
Weitere Informationen zum Thema:
Staatsvertrag ber Mediendienste (MStV)
Amtliche Begrndung zum MStV
Informations- und Kommunikationsdienste- Gesetz (IuKDG)
Amtliche Begrndung zum IuKDG
Zusendung unverlangter Massen-eMails
Die Rechtsprechung, die unverlangte Werbe-Emails als Eingriff in die Privatsphre bzw. in den Gewerbebetrieb ablehnt, beginnt sich zu festigen. Erfreulich: es gibt keine Entscheidung, die die Zulssigkeit von UCE (Unsolicited Commercial Email) bejaht. Eine Anmerkung von Stefan Ernst, die eine bersicht ber die bisherige Literatur zu der Frage enthlt, findet sich in NJW-CoR 1997, 494.
Verletzung von Persnlichkeitsrechten
Das Landgericht Berlin hat in zwei Beschlssen die Zusendung unverlangter Email an Selbstndige und Privatpersonen als Verletzung allgemeiner Persnlichkeitsrechte ( 823 BGB) angesehen. Auch Selbstndigen und Einzelpersonen wird mit dem Unterlassungsanspruch nach 1004 BGB eine Mglichkeit gegeben, sich gegen unverlangte Werbesendungen zur Wehr zu setzen.
Eine hnliche Auffassung vertritt das LG Augsburg in seinem Beschlu vom 19. Oktober 1998, 2 O 34416/98 (Fundstelle: NJW-CoR 1999, 52 [nur Tenor]).
Der Text der Beschlsse des LG Berlin ist bei der
Akademie Online-Recht zu finden:
LG Berlin,
Beschlu vom 2. April 1998, 16 O 201/98, "E-Mail-Werbung"
LG Berlin,
Beschlu vom 14. Mai 1998, 16 O 301/98, "E-Mail-Werbung"
Ebenso entscheidet das AG Brakel, Urteil vom 11. 2. 1998, Az. 7 C 748/97 (rechtskrftig),
MMR 1998, 492. Das Amtsgericht weist darauf hin, da im Gegensatz zu Postwurfsendungen ein Einverstndnis mit Werbesendungen nicht angenommen werden kann, weil eine Mailbox nicht mit einer Erklrung ber die Ablehnung von Werbesendungen versehen werden kann. Auch die Eintragung der Email-Adresse in ein Mail-Verzeichnis stelle kein Einverstndnis mit unverlangten Werbebotschaften dar.
Wettbewerbswidrigkeit
In einer einstweiligen Verfgung hat das Landgericht Traunstein im Oktober 1997 einer Internet-Agentur verboten, an private Kunden unverlangte Werbesendungen zu schicken, in denen auf ihre Dienstleistungen hingewiesen wird. Der Beschlu erfolgte weitgehend ohne Begrndung.
In einem weiteren
Beschlu hinsichtlich der von der Antragsgegnerin beantragten Prozekostenhilfe hat das Landgericht seine Rechtsauffassung zu unerlaubten Werbe-Emails dargestellt (Az: 2HK O 3755/97, vom 18. Dezember 1997). Darin argumentiert es weitgehend hnlich wie meine Anmerkung zu BGHZ 103, 203.
Wettbewerbswidrige Belstigung durch Werbung im Btx-Mitteilungsdienst
Btx-Werbung I, BGHZ 103, 203 = NJW 1988, 1670
Zur Frage einer wettbewerbswidrigen Belstigung durch Werbung im Btx-Mitteilungsdienst.
BGH, Urteil vom 3. 2. 1988 - I ZR 222/85
Zusammenfassung des Sachverhalts:
Der BGH (Bundesgerichtshof) hat in der Revision ein Urteil aufgehoben, das die Zusendung von Werbe-Mitteilungen im "Mitteilungsdienst" des Btx-Systems fr in Berlin zulssig erklrt hatte. Damals gab es in Berlin keine Tarifeinheiten im Ortsbereich, man konnte also beliebig lang ohne zustzliche Kosten telefonieren. Das Berliner Kammergericht (KG) hatte sich darauf berufen, die Zahl der Werbe-Mitteilungen sei nicht sehr hoch, ein manuelles Aussortieren und Lschen der Mitteilungen daher noch zumutbar. Eine Vergleichbarkeit zu unerwnschter Telefon- bzw. Telexwerbung sei nicht gegeben, da die Mitteilungen nicht in vergleichbarem Ma in die Privatsphre eindrangen (Telefon) bzw. den Empfnger mit unzumutbaren Kosten belasteten (Telex). Eine derart hohe Verbreitung, da die Funktion des Mitteilungssystems beim Empfnger bedroht sei, sei derzeit nicht gegeben. Auerdem sei zu bercksichtigen, da die Teilnehmer am Btx-Dienst in der Regel ein Interesse gerade an wirtschaftlich geprgten Informationen htten und sich bei Desinteresse vom Mitteilungsdienst abmelden knnten.
Der BGH verwarf diese Argumentation.
[ Seitenanfang ]
Aus den Grnden:
(...)
II.
a) Nach der stndigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verstt ein Verhalten im Wettbewerb nicht nur dann gegen die guten Sitten, wenn es dem Anstandsgefhl der redlichen und verstndigen Mitbewerber widerspricht, sondern auch dann, wenn die in Frage stehende wettbewerbliche Manahme von der Allgemeinheit, insbesondere von den durch die Werbemanahme angesprochenen Verkehrskreisen, mibilligt und als untragbar angesehen wird; denn 1 UWG soll auch die Allgemeinheit vor Auswchsen des Wettbewerbs bewahren (BGHZ 59, 317, 319 = NJW 1973, 42 - Telexwerbung; vgl. auch BGHZ 54, 188, 189 = NJW 1970, 1738 - Fernsprechwerbung m. w. N.). Den in diesen Entscheidungen dargelegten Mastben fr das, was der Allgemeinheit nicht mehr zumutbar ist, sind die bisherigen Erwgungen des Berufungsgerichts nicht hinreichend gerecht geworden.
b) Zwar weicht nach den insoweit beanstandungsfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts die Werbung im Btx-Mitteilungsdienst in einigen nicht unwesentlichen Punkten von den vom Bundesgerichtshof in den genannten Entscheidungen geprften Sachverhalten ab. Der Btx-Teilnehmer kann - anders als der Telefonteilnehmer - nicht zu jeder Zeit in seiner Privatsphre angesprochen und gestrt und auch nicht in ein unter Umstnden nur schwer und unter Verletzung der Hflichkeit abzubrechendes Gesprch verwickelt werden; vielmehr kann er selbst frei darber entscheiden, wann und in welchem Umfang er etwaige Mitteilungen berprfen und gegebenenfalls abrufen will. Desgleichen entstehen fr ihn auch nicht die Kosten und der sonstige Aufwand, wie sie der Bundesgerichtshof als wesentlich fr die von einer Telexwerbung ausgehende Belstigung angesehen hat (BGHZ 59, 317, 320 f = NJW 1973, 42 - Telexwerbung).
c) Ungeachtet dessen ist das Berufungsgericht jedoch davon ausgegangen, da auch fr den Btx-Teilnehmer durch unverlangte Werbesendungen im Btx-Mitteilungsdienst eine Belstigung entsteht. Es hat dazu verfahrensfehlerfrei festgestellt, da unerbetene Werbesendungen das bei der berprfung des "elektronischen Briefkastens" zunchst zwangslufig erscheinende Inhaltsverzeichnis belasten, so da der Teilnehmer lngere Zeit bentigt, dieses Verzeichnis zu berprfen und die fr ihn wesentlichen und unwesentlichen Mitteilungen zu trennen; dies umso mehr, als eine Lschung von Werbemitteilungen aktiv nur nach deren vorherigem Abruf erfolgen kann und nicht abgerufene Mitteilungen unvermeidbar bis zu ihrer Lschung durch die Deutsche Bundespost nach Ablauf von 15 Tagen jedes Mal wiederum - und zwar in der vom Teilnehmer unbeeinflubaren zeitlichen Reihenfolge, also vor spter eingehenden Mitteilungen - im Inhaltsverzeichnis erscheinen. Hinzu kommt, da der Teilnehmer manchmal im Zweifel ber die Bedeutung einer Werbemitteilung sein kann und sich daher gezwungen sieht, diese abzurufen, was je nach Darstellungsart acht bis dreiig Sekunden in Anspruch nehmen kann. Whrend der gesamten Dauer dieser notwendigen Prfvorgnge ist - was unstreitig ist und vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang ebenfalls htte bercksichtigt werden knnen - der Fernsprechanschlu des Btx-Teilnehmers belegt und einer anderweiten Verwendung - insbesondere der Entgegennahme von Anrufen - entzogen.
[ Seitenanfang ]
d) Zum Umfang dieses dem Teilnehmer durch Werbemitteilungen aufgezwungenen Aufwands an Zeit und Mhe hat das Berufungsgericht zunchst unterstellt, da die unbestellte Werbung im Btx-Mitteilungsdienst schon jetzt eine nicht unerhebliche Rolle spielt und da sich deren Bedeutung in Zukunft noch vergrern kann. Auf dieser Grundlage begegnet es Bedenken, da das Berufungsgericht andererseits zu der Annahme gelangt ist, es sei weder fr die Gegenwart ersichtlich noch in absehbarer Zukunft zu erwarten, da die Btx-Teilnehmer mit unverlangten Werbemitteilungen geradezu "berhuft" wrden. Dabei hat das Berufungsgericht zunchst nicht beachtet, da der Klger gerade eine solche berhufung bereits fr das Jahr 1985 ausdrcklich behauptet und in zulssiger Weise unter Beweis gestellt hatte. Schon aus diesem Grunde durfte das Berufungsgericht nicht ohne weitere Feststellungen vom Gegenteil der unter Beweis gestellten Behauptung ausgehen. Desweiteren htte das Berufungsgericht bercksichtigen mssen, da auch nach der allgemeinen Lebenserfahrung zumindest seine weitergehende Annahme fragwrdig erscheint, auch in Zukunft werde es nicht zu einer "berhufung" kommen, die zu einer unzumutbaren Belastung fr die Teilnehmer am Btx-Mitteilungsdienst fhren knnte. Wie die Entwicklung bei der Briefwerbung ebenso wie - bis zu ihrem Verbot - die Anstze zur Fernsprech- und Telexwerbung erkennen lassen, hlt die Werbewirtschaft die - sei es auch nur scheinbar - individuelle Ansprache eines Adressaten fr ein besonders wirksames Werbemittel. Die eine solche Ansprache ermglichende Werbung im Btx-Mitteilungsdienst weist gegenber der mittlerweile - wie allgemeinkundig ist - massenweise verbreiteten Briefwerbung noch zustzliche Vorteile auf, da sich ihr der Empfnger - wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang zutreffend festgestellt hat - weniger leicht entziehen kann, ohne wenigstens teilweise ihren Wirkungen ausgesetzt zu sein. Es liegt daher nahe, da jedenfalls Teile der Werbewirtschaft sich ihrer bei zunehmender Btx-Verbreitung ebenso zunehmend bedienen werden und da dann auch solche Mitbewerber, die selbst einer solchen Werbemethode nicht zuneigen, sich aus Wettbewerbsgrnden zu ihrer Nachahmung gezwungen sehen knnen (vgl. BGHZ 54, 188, 192 = NJW 1970, 1738 - Fernsprechwerbung m. w. N.). Tritt dies aber ein, so mu im Hinblick auf die vielseitige Verwendbarkeit der Btx-Werbeform - ebenso wie die Telefonwerbung (vgl. BGH aaO) kann sie fr zahlreiche Gewerbezweige und gleichermaen fr Waren- und Dienstleistungsangebote in Betracht kommen - jedenfalls fr die Zukunft mit einer nicht unerheblichen Zahl von Werbemitteilungen im Btx-Mitteilungsdienst gerechnet werden. Hat - wie zur Zeit - der Teilnehmer nicht die Mglichkeit, unerwnschte Werbemitteilungen schon bei ihrem ersten Auftauchen im Inhaltsverzeichnis sowohl als solche ohne weiteres zu identifizieren als auch ohne vorherigen vollstndigen Aufbau der Mitteilung auf dem Bildschirm zu lschen, so kann bei einer Verweildauer der Mitteilung von derzeit 15 Tagen bis zu ihrer automatischen Lschung durch die Deutsche Bundespost und unter Zugrundelegung tglicher Erfahrungen mit Briefwerbungseingngen selbst im privaten Bereich auch nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden, da die Zahl der gleichzeitig gespeicherten Mitteilungen eine Grenordnung erreicht, die schon den jeweils nur seitenweise mglichen Aufbau des Inhaltsverzeichnisses - nach den getroffenen Feststellungen jeweils neun Absender und ca. acht Sekunden Aufbauzeit je Seite - sowie dessen jeweils sorgfltige Prfung als einen fr den Teilnehmer nicht mehr zumutbaren Aufwand erscheinen lassen knnten. Dies erscheint namentlich bei solchen Adressaten nicht unwahrscheinlich, die aus bestimmten Grnden fr die Werbung besonders interessant erscheinen und gerade unter Btx-Teilnehmern nicht selten sein drften.
e) Nach der stndigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Werbeart aber auch schon dann als unlauter zu beurteilen, wenn sie den Keim zu einem immer weiteren Umsichgreifen in sich trgt und damit erst zu einer untragbaren Belstigung und zu einer Verwilderung der Wettbewerbssitten fhrt (BGHZ 43, 278, 282 = NJW 1965, 1325 - Kleenex; GRUR 1967, 430, 431 - Grabsteinauftrge m. w. N.). Die Hilfserwgung, mit der das Berufungsgericht diesen Grundsatz fr den vorliegenden Fall einzuschrnken sucht, ist ebenfalls von Rechtsirrtum beeinflut. Seine Annahme, bei einer noch in der Entwicklung befindlichen Einrichtung wie dem Btx-System sei mit korrigierenden Manahmen der Deutschen Bundespost in gebhrenrechtlicher und in technischer Hinsicht zu rechnen, falls die Brauchbarkeit dieses Mediums durch Mistnde bei der Benutzung gefhrdet werde, entbehrt nicht nur einer tragfhigen tatschlichen Grundlage, sondern lt auch die Interessenlage unbercksichtigt, die sich fr die privaten Teilnehmer am Btx-Mitteilungsdienst, um die es vorliegend geht, wesentlich anders darstellen kann als fr die Deutsche Bundespost; denn deren "korrigierende Manahmen" knnen unter Umstnden - etwa im Interesse der Werbung treibenden Kunden - auch in der Form einer Erweiterung der Speicherkapazitt und nicht zwangslufig in einer im Interesse allein der Empfnger liegenden Beschneidung oder Erschwerung der Werbung erfolgen.
[ Seitenanfang ]
f) Als durch die bisherigen Feststellungen nicht hinreichend belegt erweisen sich schlielich auch die Erwgungen, mit denen das Berufungsgericht eine Belastung der Btx-Teilnehmer durch Werbung als systemimmanent, vorhersehbar und daher nicht wirklich belstigend beurteilt hat. Schon der Ausgangspunkt dieser Erwgungen - das Btx-System diene vor allem der wirtschaftlichen Kommunikation - begegnet gewissen Bedenken, da er der in Art. 1 und 2 des Btx-Staatsvertrags normierten Zielsetzung von Btx als eines jedermann offenstehenden allgemeinen Kommunikationssystems nicht ganz gerecht wird. Selbst wenn diese Feststellung des Berufungsgerichts aber die gegenwrtige Nutzungslage trifft, rechtfertigt dies nicht die daraus gezogene Folgerung des Berufungsgerichts, wer sich dem System - und hierbei insbesondere dem Btx-Mitteilungsdienst - anschliee, msse, weil er ohnehin vornehmlich mit Botschaften und Informationen wirtschaftlicher Art rechne, auch auf Werbung eingerichtet sein, so da diese ihn weniger stre und von ihm in dieser Form leichter in Kauf genommen werden knne als in anderen unerbetenen Formen. Das Berufungsgericht vernachlssigt bei dieser Folgerung, da in Anbetracht der Trennung der Btx-Dienste in Angebote einerseits und in die anderen Kommunikationsformen der Art. 1 und 3 des Staatsvertrages andererseits sowie im Hinblick auf die funktionale Zugehrigkeit breiter Werbung zur Kategorie der Angebote ein Teilnehmer am Btx-Mitteilungsdienst nicht mit gehufter, lediglich pseudoindividuell aufgemachter Breitenwerbung rechnen wird und da auerdem selbst derjenige, der mit der Mglichkeit einer gelegentlichen Werbeansprache ber den Btx-Mitteilungsdienst rechnet, nicht die Belstigung in Kauf zu nehmen braucht, die dadurch entsteht, da er tglich lngere Zeit darauf verwenden mu, seitenweise Bildschirmtexte aufzubauen, um aus einer groen Zahl unerbetener Werbemitteilungen - unter deren jeweiliger Prfung auf ihre Unerheblichkeit - die tatschlich individuell fr ihn bestimmten Mitteilungen von wirklichem Interesse herauszusuchen. Soweit das Berufungsgericht dem entgegenhlt, da jeder Btx-Teilnehmer diese Belastung durch Sperrung des Btx-Mitteilungsdienstes vermeiden knne, vernachlssigt es, da es die Mglichkeit einer auf Werbemitteilungen beschrnkten Sperrung derzeit nicht gibt und auch in absehbarer Zeit nicht geben kann, solange eine Pflicht zur Kennzeichnung von Werbung im Btx-Mitteilungsdienst nicht besteht. Dem Btx-Teilnehmer kann aber nicht angesonnen werden, den Mitteilungsdienst, an dem ihm aus den verschiedensten Grnden sehr gelegen sein kann, gnzlich sperren zu lassen, weil er nur damit einer fr ihn - in diesem Zusammenhang zu unterstellenden - unertrglichen Belstigung durch unerwnschte Werbung Dritter entgehen kann.
III. Das Berufungsurteil kann somit auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen keinen Bestand haben. Das Berufungsgericht, an das der Rechtsstreit daher zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch ber die Revisionskosten - zurckzuverweisen ist, wird zunchst Feststellungen darber zu treffen haben, welchen Umfang die Werbung im Btx-Mitteilungsdienst bereits erreicht hat, wobei nicht allein auf den Durchschnittswert abzustellen, sondern auch zu prfen sein wird, welches Ausma die Zahl der Werbemitteilungen bei solchen Teilnehmern am Btx-Mitteilungsdienst erreicht, die aus verschiedenen denkbaren Grnden als Werbeadressaten von besonderem Interesse fr die werbende Wirtschaft sein knnen. Auf der Grundlage dieser Feststellungen wird das Berufungsgericht dann unter Bercksichtigung der wahrscheinlichen Weiterentwicklung und namentlich des unter II., 2 d) zur Nachahmungsgefahr Ausgefhrten zu beurteilen haben, welches Ausma die zeitliche Inanspruchnahme von Teilnehmern am Btx-Mitteilungsdienst durch Werbung in diesem Dienst erreichen kann und ob in dieser Inanspruchnahme eine unzumutbare Belstigung zu sehen ist. Unter Umstnden, nmlich, wenn sich die Unzumutbarkeit bzw. das Gegenteil nicht schon aufgrund der objektiven Gegebenheiten, insbesondere aus dem Ausma des Zeitaufwands, feststellen lt, wird das Berufungsgericht weitere Feststellungen darber zu treffen haben, ob und bis zu welcher Grenze Teilnehmer am Btx-Mitteilungsdienst bereit sind, Werbung in diesem Dienst und ihre zustzliche zeitliche Inanspruchnahme durch letztere hinzunehmen, ohne sich belstigt zu fhlen. Hierfr knnte unter Umstnden auch die Frage bedeutsam werden, ob die Mglichkeit besteht, Werbung bereits im Inhaltsverzeichnis als solche eindeutig zu kennzeichnen, und - bejahendenfalls - ob bei Vornahme einer solchen Kennzeichnung der Aufwand an Zeit und Mhe auf Seiten des Empfngers und/oder dessen Einstellung zur Werbung in einer Weise gendert wird, die die Zulassung wenigstens einer dergestalt gekennzeichneten Werbung wettbewerbsrechtlich unbedenklich erscheinen liee. Klarzustellen bleibt schlielich, da alle gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts geuerten Bedenken hinfllig wren, wenn zwischenzeitlich - anders als bisher - die Mglichkeit geschaffen wre, Werbemitteilungen im Btx-Mitteilungsdienst schon anhand des Inhaltsverzeichnisses nicht nur ohne weiteres als solche zu identifizieren, sondern auch ebenso ohne weiteres - das heit ohne vorherigen Abruf und Bildaufbau auf dem Bildschirm - zu lschen.
[ Seitenanfang ]
Anmerkung:
Der BGH hat die bereits in der Einfhrungsphase des Btx-Systems vom Kammergericht Berlin getroffene Entscheidung zu Recht und mit inhaltlich weitsichtiger Begrndung aufgehoben. Er hat die technischen Besonderheiten des Systems Bildschirmtext treffend gewrdigt. Die Entscheidung ist auf UCE (Unsolicited Commercial E-mail, unverlangte Werbemitteilungen) im Internet allerdings nicht in allen Einzelheiten bertragbar, da das heutige E-Mail-System kein geschlossenes technisches System mit einem zentralen Betreiber darstellt, der in der Lage ist, bestimmte Verhaltensanforderungen tatschlich wirksam durchzusetzen.
Im Vordergrund mu weiterhin die vom BGH getroffene Feststellung stehen, da jede Werbeform unzulssig und wettbewerbswidrig ist, "die den Keim zu einem immer weiteren Umsichgreifen in sich trgt und damit erst zu einer untragbaren Belstigung und zu einer Verwilderung der Wettbewerbssitten fhrt" (oben unter e)). Dabei sind Rechtsprechung und Gesetzgebung zu einer Prognose aufgerufen, welche technischen Systeme dafr einerseits anfllig und andererseits bei Mibrauch besonders "gefhrdet" im Sinne einer eintretenden Dysfunktionalitt des gesamten Systems sind.
Die geschilderte Auffassung ("Keim-Theorie") hat der BGH in einem neueren Urteil zur Telefax-Werbung erneut besttigt (NJW 1996, S. 660, 661). Darin hat der BGH als Argumente fr die Wettbewerbswidrigkeit von unverlangten Telefaxen insbesondere auch den Arbeits- und Kostenaufwand fr die Prfung eingegangener Faxe genannt und darauf hingewiesen, da bei einem automatisierten Fax-Versand und einer entsprechenden Zunahme der Gesamtzahl von Werbesendungen per Fax eine unzulssige Belstigung zu befrchten sei. Telefax-Werbung knne daher grundstzlich nicht gebilligt werden. Sie sei ausnahmsweise nur dann zulssig, wenn der Angeschriebene ausdrcklich oder konkludent einverstanden sei oder sein Einverstndnis vom Absender anhand konkreter Umstnde vermutet werden knne. Dafr genge es jedoch nicht, die eigene Fax-Nummer - auch im Rahmen eigener Werbung - bekannt zu geben, weil daraus noch keinerlei Interesse an Werbesendungen des Versenders entnommen werden knne. Verlangt werden mu wohl vielmehr eine bereits bestehende Geschftsbeziehung, bei der aus irgendwelchen konkreten Umstnden entnommen werden kann, da Interesse an weiteren "geschftlichen Informationen" besteht.
Hinsichtlich der Mibrauchsanflligkeit ist das Internet-gesttzte E-Mail-System aus verschiedenen Grnden mindestens ebenso wie das Telefax-System betroffen: Der Massenversand von E-Mail ist technisch besonders einfach und ausserdem uerst kostengnstig. Die Mibrauchsgefahr ist daher besonders hoch. Zum anderen gefhrdet der massenhafte Versand von E-Mail in vielerlei Hinsicht die Funktionalitt des gesamten E-Mail-Systems. Der Versand sorgt fr ein hohes, weitgehend unntzes Verkehrsaufkommen; er verursacht unkontrollierbare "Immunreaktionen" des Netzes und er sorgt bei weiterer Verbreitung fr ein Zusammenbrechen der Nutzbarkeit des E-Mail-Systems beim Empfnger, da voll wirksame Filtermechanismen der Natur der Sache nach nicht vorstellbar sind. Schlielich sorgt er fr eine erhebliche Belstigung der Empfnger, die zu einem Aussortieren der Werbung gezwungen werden und dafr auch noch die Kosten (UUCP-Verbindung, Volumenkosten) zu tragen haben.
Problematisch an der BGH-Entscheidung ist bezogen auf dezentrale E-Mail-Systeme (im Gegensatz zum Btx-System) vor allem deren letzter Absatz, in der es der Sache nach darum geht, ob Werbemitteilungen dadurch zulssig sein bzw. werden knnten, da die (damalige) Deutsche Bundespost ein System einfhrt, nach dem a) Werbemitteilungen im Betreff mit einem "W" gekennzeichnet sind und b) noch vor der (zeitraubenden) bertragung zur Anzeige auf dem Bildschirm (= download) gelscht werden knnen. Diese technischen Modalitten sind dann in der Folgezeit tatschlich eingefhrt worden, so da der Klger des beschriebenen Verfahrens (Verbraucherschutzverein) in der Folge die Klage zurckzunehmen versuchte. Dazu hat sich der BGH in einem weiteren Urteil geussert (Btx-Werbung II, NJW 1992, 2235), das aber rein prozerechtlich argumentiert und fr die Frage von UCE unergiebig ist.
Aus den oben dargelegten Grnden bleibt UCE - Massen-E-Mail-Werbung - dennoch unzulssig und wettbewerbswidrig (so jetzt auch das
LG Traunstein, 2 HK O 3755/97). Vor allem sprechen erhebliche Grnde dafr, da es im Internet eine ertrgliche Lsung fr die rechtzeitige Identifizierung und Lschung unverlangter Mails nicht geben kann. Ein "W" scheidet ebenso aus wie andere Krzel, die verwendet werden (z. B. fr "bulk-mail" [Massendrucksache]). Angesichts der weltweiten Verbreitung von E-Mail und der uneinheitlichen Sprachgebruche gibt es hierfr keine vertretbare Lsung, mangels zentralem Anbieter auch niemanden, der eine einheitliche Lsung vorschlagen, geschweige denn durchsetzen knnte. Schlielich ist jedes Argumentieren mit solchen halbtechnischen Mglichkeiten, die Auswahlverantwortung der Nutzerin anzulasten, verkrzt und verfehlt. Da UCE jetzt schon wettbewerbswidrig ist und dennoch eingesetzt wird und da nach den Ausfhrungen des BGH der Reiz fr den Werbetreibenden gerade darin besteht, da der Empfnger nicht vorher merkt, da keine individuelle Mail vorliegt, laufen Kennzeichnungssysteme nach der Lebenserfahrung vllig leer. Die Mibrauchsgefahr besteht also weiterhin; sie ist geradezu systemimmanent.
Stand: 31. 12. 1997
Updates: 15. 5. 1998; 24. 10. 1998
[ Seitenanfang ]
Patrick Mayer, 1998 / Alle Rechte vorbehalten / Stand: 1998-10-24 / URL: http://www.artikel5.de/artikel/bgh-uce.html
|