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Big Brother will be watching you

Von Otfried Krumpholz

(Dieser Beitrag wurde von Dr. Otfried Krumpholz für die Netzinitiative Freedom For Links verfasst und ist nunmehr mit Zustimmung des Autors hier veröffentlicht)

Seit wenigen Tagen ist bekannt, dass ein neuer Entwurf der Telekommunikations-œberwachungsverordnung (TKœV) im Bundeswirtschaftsministerium vorliegt. Er soll das ermöglichen, was schon in den ENFOPOL-Plänen vorgeschlagen wurde: ein problemloser Zugriff staatlicher Organe (vor allem von Polizei, aber auch Justizverwaltungen, Zollkriminalamt, Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz) auf die gesamte Kommunikation via Internet, vor allem also E-Mail. Dasselbe soll für alle anderen Arten von Telekommunikation gelten.

Technische Umsetzung

Telekommunikations- und Internetprovider sollen verpflichtet werden, ihre Einrichtungen so zu gestalten, dass in standardisierter Weise Verbindungsinhalte mitgeschnitten und an die anordnende Behörde übermittelt werden können. Bereits zehn Minuten nach Eingang der Anordnung (auŸerhalb der Geschäftszeiten sechs Stunden) soll die œberwachung anlaufen. Neben den Kommunikationsinhalten müssen auch alle anderen im Zusammenhang stehenden Daten aufgezeichnet und weitergegeben werden, also z.B. Zeit der Nachricht, Empfänger usw. Soweit die Kommunikationen vom Provider verschlüsselt werden, muss er die Daten in unverschlüsselter Form zur Verfügung stellen. Geschützt ist also nur die Kommunikation, die vom Nutzer selber verschlüsselt wird, z.B. durch Einsatz von PGP.

Grundrechte bedroht

Zwar wird nach wie vor eine richterliche Anordnung für eine œberwachung nötig sein. Dennoch handelt es sich um einen veritablen Grundrechtseingriff - und wenn die Voraussetzungen wie geplant geschaffen sind, wird die Zahl der œberwachungen sicher noch weiter steigen. Bereits heute ist Deutschland Spitze im Spitzeln: Während die Kriminalität insgesamt sich eher rückläufig entwickelt, steigt die Zahl der Telefonüberwachungen laufend an. Sind die Schnittstellen zu den Telekommunikations- und Internet-Providern erst einmal standardisiert und die geplanten Regelungen zur Zusammenarbeit der Provider mit den œberwachern eingeführt, so wird es technisch wie rechtlich noch viel einfacher, eine œberwachung durchzuführen. Und ein Instrument, das für die Behörden so leicht und billig zu haben ist, wird sicher gern genutzt werden.

Was ist mit den Grundrechten der Provider

Bleibt noch die Frage nach den Kosten -vor drei Jahren scheiterte ein erster Anlauf für die TKœV an diesem Punkt. Selbstverständlich ist das Problem dasselbe geblieben: Die Einrichtungen, die die Provider dann per Gesetz vorhalten müssen, kosten Geld, die Durchführung jeder œberwachung auch. Frecherweise hat der Entwurf der TKœV bereits folgende Beschwichtigung parat: Durch die Standardisierung der technischen Einrichtungen, die die Vorgaben der Verordnung bewirken werden, würden die Kosten von Telekommunikationsanlagen auf Dauer sogar sinken! Eine überraschende Wendung, die die Provider jedoch kaum glücklich machen wird. Wie auch Telepolis berichtet, stehen in den Niederlanden, wo schon seit einiger Zeit eine ähnliche Gesetzeslage herrscht wie mit der neuen TKœV dann auch hier, ein Drittel aller Internet-Provider vor der Insolvenz, weil sie die zusätzlichen Kosten für die œberwachungseinrichtungen nicht kompensieren können. Fazit: Auch die Provider müssen leiden.

Ausblick

Erheblicher Lobby-Druck von Seiten der Strafverfolger spricht dafür, dass die TKœV so umgesetzt wird wie geplant. Jedoch stehen die Provider dagegen, und auch im Bundeswirtschaftsministerium gibt es zum Glück eine Front gegen die TKœV, weil zu Recht befürchtet wird, die Verordnung werde sich dämpfend auf das Vertrauen der Bürger und Unternehmen in das Internet auswirken und somit die Entwicklung des E-Commerce behindern.

Wenn sich nun auch die Internet-–ffentlichkeit mobilisiert, wird es vielleicht ein weiteres Mal gelingen, zu verhindern, dass wieder ein paar Seiten Orwell Wirklichkeit wird.


Otfried Krumpholz

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